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Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)

Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)

Titel: Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabian Hischmann
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erster menschlicher Lenkdrachen zu schreiben.
    Ich habe ihr Buch auf Kreta vergessen.
    Natürlich küssen wir uns nicht. Maria klopft mir kumpelhaft auf den Rücken, hält die Luft während der Umarmung an. Als sie wieder ausatmet, riecht sie nach After Eight, einer Süßigkeit aus dem letzten Jahrhundert. Sie zieht die Verpackung ein Stück aus ihrer Jackentasche.
    »Willst du auch?«
    »Nein danke.«
    Der Kassenautomat schluckt das Ticket, will fünf Euro für dreißig Minuten.
    »Gut, dass ich mir keine Butterbrezel gekauft habe«, schnauft Maria und kramt nach dem Schein. Mit dem Lift fahren wir zum Deck 3.
    »Ich bin mir ganz sicher, keine Sorge.«
    Ich muss leicht lächeln bei dem Gedanken an das Musikfestival, nach dem wir den Golf für geschlagene zwei Stunden suchen mussten, Kreis nach Kreis um den Parkplatz zogen, wie Goldfische im Rundglas.
    »Es geht nach rechts und bis zum Rand.«
    Ich laufe hinter ihr, sehe zu, wie ihre Beine mit jedem Schritt ein leichtes O formen.
    Ein nervöser, gegelter Mann kommt auf uns zu.
    »Ist Ihnen zufällig ein flaschengrüner SLK aufgefallen?«, fragt er atemlos.
    Maria spitzt die Lippen. »Bedauerlicherweise nicht. Wir würden Ihnen ja bei der Suche helfen, aber wir müssen zum Golf«, entgegnet sie mit fistelnder Stimme und bläst sich ihre Strähne aus den Augen. Der Mann staunt sie an und setzt seine Suche verwirrt fort. Sie guckt zu mir, formt eine Pistole mit den Fingern, hält sie gegen die Schläfe und drückt ab.
    »Siehst du, da steht er.«
    Das Auto sieht mitgenommen aus, der Unterbau ist mit braunem Pfützenwasser gesprenkelt, die Scheiben haben Schlieren. Ich entferne einen Zweig, der am Scheibenwischer festhängt. Man könnte meinen, sie habe während meiner Abwesenheit an einer Rallye durch den Schwarzwald teilgenommen.
    »Als du weg bist, ist der Sommer auch verschwunden. In Villingen hat der Blitz vorige Nacht dreimal ins selbe Gebäude eingeschlagen.«
    Wir fahren Richtung Schranke. An der letzten Ecke nimmt uns ein flaschengrüner SLK die Vorfahrt.

38
    Allmählich pustet der Wind die verwaschene Umgebung trocken. Tüten, Pappbecher und Burgerpapiere wirbeln an den Begrenzungsstreifen, immer häufiger bricht die Sonne durch. Stockend schieben wir uns durch den Feierabendverkehr über die Autobahn, am oberen Rand des baden-württembergischen Hauptstadtkessels vorbei, in dem man an heißen Sommertagen glaubt zu ersticken.
    »Wie war’s denn?«, fragt Maria in den Verkehrsfunk hinein. Ich befummle die Lüftungsschlitze, wische mit dem Schwamm den letzten Beschlag von den Scheiben. Nach dem Signalton, mit dem die Staumeldungen in billige Popmusik übergehen, antworte ich: »Es war wichtig, den Ort und die Leute zu sehen. Hannah, die Freundin von Mama und Papa, hat mir viel erzählt und mit dem Amtskram geholfen … kapiert hab ich es aber noch immer nicht, ich meine, dass sie nicht zu Hause sein werden – nie mehr.«
    »Ich bin da, Max. Hörst du? Die anderen und ich helfen dir.«
    Ich kurble das Fenster runter, ein zerquetschter Marienkäfer klebt auf der Kante. Seufzend schnippe ich ihn Richtung Seitenspiegel, die Luft reißt ihn davon, finaler Flug.
    »Ich werde Hannah fragen, ob ich nach der Beerdigung eine Weile bei ihnen auf Kreta wohnen kann.«
    Maria sieht verdutzt aus. Ich weiß das, obwohl ich weiter geradeaus schaue. Einer von uns muss die Fahrbahn ja im Blick behalten.
    »Ist das nicht irgendwie, also … ein bisschen pervers gegen dich selbst? Dahin zu gehen, wo Hans und Claudia ums Leben gekommen sind? Und überhaupt, was ist denn mit der Schule?«
    »Ich bin kein Lehrer.«
    »Aha. Ich bin mir aber ziemlich sicher, dass du vor ein paar Tagen noch einer warst.«
    »Du irrst dich.«
    Der Verkehr beginnt zu fließen, Maria gibt Gas und lässt Böblingen rechts liegen.
    »Was willst du denn dann machen, Max?«
    Ein Waisenkind mit einer Kamera sein.

39
    Die Neckarburg ist menschenleer, außer uns scheint niemand seine Klogutscheine im Restaurant der Raststätte einlösen zu wollen.
    Ich sehe dem Zucker zu, wie er langsam in den Milchschaum sinkt.
    »Und Lio, war er brav?«
    »Er war wie du in unserer Beziehung. Entweder super drauf oder kreuzunglücklich.«
    Irgendwo geht Geschirr zu Bruch, ruft jemand: »Ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht so hoch stapeln!«
    Ich blicke aus dem Fenster. An einer der Zapfsäulen für Diesel bückt sich ein Kraftfahrer unter seinen Hänger. Ich kann deutlich das haarige, obere Drittel seiner Pofalte

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