Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)
bestens zur Waffenschieberei eignen. Allein der Stauraum und die verzwickte Sache mit der Ethik am Zoll. Wer lässt schon gerne einen Sarg öffnen, bloß weil er ein Bündel Kalaschnikows darin vermutet? Und Urnen sind wahrscheinlich nicht minder praktisch. Zwischen die Pulverisierten kann man bestimmt locker mehrere Päckchen Rauschgift stecken.
Ich entscheide mich für zwei schlichte, naturfarbene Urnen, die morgen mit meinen Eltern aufgefüllt und nach Deutschland übermittelt werden. Meine Ersparnisse hätten für all das nicht gereicht. Glücklicherweise waren meine Eltern für jeden denkbaren Fall versichert. Sie hatten mich lieb, wussten mich aber auch einzuschätzen.
»Man darf das Essen nicht vergessen«, meint Hannah, als wir wieder draußen stehen. »Auch wenn es schwerfällt.«
Tatsächlich spüre ich ein Loch im Magen, aber mehr so, als hätte ein Organhändler in der Nacht begonnen mich auszuweiden und dann mittendrin die Lust verloren und mich schnell zusammengenäht.
In den Baumkronen über uns lärmt ein Spatzenclan. Das Geräusch erinnert an ein Laserkanonensperrfeuer.
Hannah führt mich in eine schmale Gasse nahe dem Hafen.
Das Restaurant sieht ein bisschen schmuddelig aus, mit seinen eingerissenen, befleckten Papiertischdecken und den ungeleerten Aschenbechern. Anscheinend gibt es hier aber den besten und preiswertesten Fisch in ganz Heraklion.
Ein mit Soldaten bemanntes Fahrzeug fädelt sich durch die Gasse. Bei unserer Einfahrt in die Stadt bemerkte ich mehrere Schilder mit dem Hinweis auf das Museum der Schlacht um Kreta und des nationalen Widerstands. Vielleicht werden die Soldaten dort hingebracht, will man alte Ausstellungsstücke gegen neue tauschen.
Unser Essen kommt. Gegrillte Sardinen mit Tomatensalat. Der Koch bringt die Teller persönlich an unseren Tisch. Er hat einen Schnurrbart, der so dicht und borstig ist, dass man mit ihm die Straße fegen könnte. Er und Hannah küssen sich auf die Wangen zur Begrüßung. Mir gibt er die Hand, was mir deutlich lieber ist.
Hannah macht vor, wie man am geschicktesten filetiert. Es schmeckt gut und anders.
Gründlich reibe ich meinen Mund mit der Serviette ab. Hannah sieht mich traurig an.
»Hast du denn jemanden zu Hause?«
Ich denke an Maria und Jan, die Möglichkeit eines Dreiecks.
»Freunde.«
35
Neugier und eine weinerliche Sehnsucht nach unbeschwerter Jugend lassen mich, zurück im Haus von Hannah und Silas, in das Zimmer ihres achtzehnjährigen Sohnes schleichen. Die Wände hier sind gar nicht so zugekleistert mit Popstars, wie ich es erwartet habe, wie sie es bei mir waren. Lediglich John Travolta und Samuel L. Jackson pappen auf der Tapete.
Ich sehe Timons CDs durch: Jay-Z, Coldplay, Blink 182 … hier passt nichts wirklich zueinander. Dann halte ich die staubige Hülle des ersten Rage-Against-the-Machine-Albums in den Händen.
Wir hängen im Bali, erst zum zweiten oder dritten Mal. Roland gibt uns Bier, weil er einer von denen ist, die genau wissen, wie das für sie war, als Teenager auf dem Land. Außerdem ist er Geschäftsmann und junges Geld genauso gut wie das der Hängis.
Ich habe meinen ersten Vollrausch und meine Mutter putzt morgens das verkotzte Klo. »Jetzt haben wir das auch hinter uns«, sagt sie. Und ich glaube ihr und stöhne: »Nie wieder Alkohol«, und breche ein paar Wochen später in den Garten.
»Ausgerechnet die Rosen«, raunt meine Mutter vor der verschlossenen Badezimmertür.
»Killing in the Name of …«
In der Fensterecke lehnt eine Angelrute. Die Schnur ist nicht vollständig aufgerollt, verbindet, in einer beinahe unsichtbaren Diagonalen über den Boden, Angel und Bett. Der zweite Leitfaden an diesem Tag. Am Ende der Schnur ist ein roter Schwimmer befestigt, aber kein Haken. Trotzdem denke ich an eine eiternde Fußsohle, abgelaufene Tetanus-Impfungen.
Auf dem Nachttisch steht ein Foto von Timon mit seinem Vater. Sie halten einen Wahnsinnsfisch in den Armen und grinsen, und ich kann sehen, dass es sich um ein ehrliches Lachen handelt und keines, das vom Fotografen eingefordert wurde. Timon ist ein hübscher Junge, der ohne weiteres in einer Vorabendserie den Herzensbrecher spielen könnte.
Meine Augen wandern ein kleines Stück nach unten, bis zur geschlossenen Nachttischschublade. Bis jetzt habe ich kein schlechtes Gewissen, sehe ich mich nur ein bisschen um. Ich zögere. Dann öffne ich sie doch.
Vor mir liegt eine Pistole.
Entschlossen steige ich die Treppe runter, mein Gang ist
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