Am Ende schmeißen wir mit Gold: Roman (German Edition)
Katzennatter
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Europäisches Chamäleon
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Süßwasserkrabbe
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Karettschildkröte (stark bedroht)
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Laubfrosch
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Riesen-Smaragdeidechse
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Grillen und Zikaden (so häufig, dass an manchen Orten ihr abendliches Zirpen eine Unterhaltung im Freien unmöglich machen kann)
Schmaläugig lese ich eine SMS von Valentin:
Trinke Whisky. Ohne dich wird mir einfach schlecht davon.
Halt durch. V*
Ich schalte das Handy aus und stöpsle den Akku der Kamera ein. Tränen fallen gefährlich nah an die Steckdose.
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Ich ziehe mich aus und falle auf die schmale Matratze. Sie ist hart und liegt in einem quietschenden Metallgestell, das dünne Betttuch duftet nach Lavendel und Salz. Gleichmäßig schnurrt die Klimaanlage, als säße ein zufriedener Kater hinter dem Luftzug. Ich schlafe ein und
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fahre in einem Cabriolet auf einer Küstenstraße. Neben mir sitzt Patrick und schält Scampi mit seinem Messer.
»Was machst du hier?«
»Ich liebe Kreta. Eine herrliche Ferieninsel.«
Er schleckt Öl von seinen langen, dünnen Fingern.
»Ich bin nicht zum Vergnügen hier.«
»Nun, ich schon.«
»Arschloch.«
Ich trete das Gaspedal voll durch, wir durchbrechen die Leitplanke und segeln in den Abgrund.
Patrick reißt die Arme hoch, wie in der Achterbahn, jubelt vor lauter Spaß.
Wir stehen unversehrt am Strand, unweit von uns rekelt sich eine Robbenfamilie. Patrick schwingt einen Knüppel, ich halte die Kamera in der Hand.
»Je drastischer die Bilder, desto größer der Effekt«, sagt er.
Leichtfüßig geht er in Richtung der Tiere.
»Tu das nicht.«
»Aber das Drehbuch sieht es so vor.«
»Welches Drehbuch?«
Er bleibt stehen, wendet sich um: »Dein Drehbuch, Max. Nach meinem Vorspiel in New York habe ich eine Weile nichts von dir gehört, zwischenzeitlich hatte ich schon befürchtet, dass ich nicht gut genug war und du dich gegen mich entschieden hast. Ich bin ja so froh …«
»Sei still, bitte!«
Er zuckt mit den Schultern und geht weiter auf die Robben zu. Plötzlich beginnt er zu rennen und die Tiere heulen zwar, fliehen aber nicht. Irgendetwas drückt mich und sie in Position, zwingt mich zu filmen und hält sie fern der Wellen. Ich zoome die Gesichter der Robben heran und erkenne in jedem einzelnen das des New Yorker Mädchens.
Patrick singt aus voller Kehle: »Ich möchte ein Eisbär sein.«
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Ich fahre in einem roten Peugeot auf einer schmalen Küstenstraße nach Heraklion. Mein Nacken ist steif von der permanenten Klimatisierung über Nacht, außerdem kitzelt und puckert die Naht, die kleine kahle Stelle an meinem Hinterkopf. Der Heilungsprozess ist in vollem Gange, schon bald werden die Fäden gezogen.
Manche Wunden sind ein echter Witz.
Im Gegensatz zum süßen Bier schmeckte der Frühstückskaffee bitter und herb. Selbst drei Löffel Zucker machten es nicht besser. Dazu gab es Weißbrot mit Ziegenfrischkäse und Brombeermarmelade. Alles zusammen legt sich jetzt in die Kurven.
»Ist dir nicht gut?«, fragt Hannah besorgt.
»Ich habe schlecht geträumt.«
»Das tut mir leid. Aber es ist ja auch kein Wunder bei dem, was du gerade aushalten musst.«
Manche Wunden nässen stetig.
Alles ist vollkommen weiß. Das Gebäude riecht wie frisch gestrichen, blinkt heller als alle anderen. Davor sitzt eine weiße Katze auf weißen Steinkacheln unter einem schattenspendenden Busch mit weißen Blüten. Sie fixiert uns, ihr Körper ist wachsam gespannt. Ich bin noch nie einer Katze begegnet, die mich dermaßen eingeschüchtert hat. Lio würde bei ihrem Anblick Reißaus nehmen.
Um den Türrahmen sind bunte Kruzifixe gemalt. Hannah läutet, ich bin froh, sie dabeizuhaben. Vorhin im Konsulat sprach sie, wenn ich nur noch starrte.
Der Beamte mit Schuppenflechte oder Neurodermitis am Doppelkinn zerfloss mehr und mehr, je länger ich nicht zwinkerte. Er schob mir Formulare rüber, die ich mit meinem Namen gültig machte, gab mir die Adresse eines Bestattungsinstituts, mit dem die deutsche Behörde seit Jahren reibungslos zusammenarbeite und das er empfehlen könne. Durch eine letzte Unterschrift veranlasste ich, dass man meine Eltern noch heute von der Gerichtsmedizin dorthin verlegen würde. Zum Schluss drückte er mir einen Prospekt in die Hand, der einen Leitfaden für einen Fall wie meinen enthält.
Der Inhaber des Bestattungsunternehmens sieht nicht aus wie sein Gewerbe. Er ist ein junger Al Pacino mit zusammenwachsenden Augenbrauen und einer Menge Schmuck an den Fingern. Ich vermute, dass Särge sich
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