Am Ende siegt die Liebe
stand auf und bat sie, sich freizumachen. Er nahm zwar nicht an, daß der jungen Frau etwas Ernstliches fehlte, aber körperliche Erschöpfung und jahrelanger Frust konnten zu Krankheiten führen, die behandelt werden mußten.
»Was ist mit mir?« fragte Carola, als sie sich später wieder am Schreibtisch gegenübersaßen.
»Wie ich es vermutet habe, leiden Sie an übergroßer Erschöpfung, Frau Bender«, antwortete er. »Bestimmt hat Ihr Hausarzt dieselbe Diagnose gestellt. Was Sie brauchen, ist viel Ruhe, gutes Essen und noch mehr Spaß und Freude.« Er sah sie ernst an. »Ich nehme an, daß Ihnen besonders die letzten beiden Dinge in den vergangenen Jahren gefehlt haben.«
»Ja, das ist wahr.«
»Ich werde Ihnen ein paar Anwendungen in Bad Wiessee verordnen. Besonders wichtig erscheinen mir dabei die Wasseranwendungen und Massagen. Außerdem sollten Sie Wanderungen machen, etwas Sport treiben... Im Moment haben Sie einen äußerst niedrigen Blutdruck. Ich bin überzeugt, wenn Sie sich an meine Anweisungen halten, wird er sich bald normalisieren. Zusätzlich verschreibe ich Ihnen noch den Kreislauf stärkende Tropfen. Sie sollten sie regelmäßig nehmen.« Er blickte auf. »Und morgen früh kommen Sie bitte nüchtern zur Blutabnahme.«
Carola lachte auf. »Sieht aus, als wäre jeder Arzt eine Art Vampir.«
»Wie haben Sie das erraten?« fragte Marc lachend. Er reichte ihr die Rezepte und schob seinen Stuhl zurück.
»Das war nicht schwer.« Carola steckte die Rezepte in ihre Handtasche und erhob sich ebenfalls. »Danke, Doktor Sch umann«, sagte sie und reichte ihm die Hand.
»Nichts zu danken«, meinte er. »Falls Ihre Schwindelanfälle schlimmer werden oder es sonst etwas geben sollte, was Sie beu nruhigt, scheuen Sie sich bitte nicht, mich anzurufen."
Carola verabschiedete sich. Während sie den Garten durc hquerte, überlegte sie, ob sie mit dem Bus nach Rottach-Egern zurückfahren sollte. Sie konnte auch am Wasser entlang gehen. Allerdings waren es bis zu ihrem Hotel mehrere Kilometer.
Nachdenklich blickte sie von der Straße aus über den weiten See hinweg. Ihr Hotel konnte sie von hier aus nicht sehen, da es am anderen Ende von Rottach-Egern lag.
Neben ihr hupte ein Wagen. Die junge Frau zuckte erschrocken zusammen. »Nein, ich bin kein Geist«, erklärte Michael Lange vergnügt. »Möchten Sie mitfahren?«
»Wo kommen Sie denn her?« fragte Carola verblüfft. Sie hatte dem Hotelier nichts davon gesagt, daß sie Dr. Schumann aufs uchen wollte.
»Ich hatte in Tegernsee zu tun«, erwiderte er und stieg aus. Er ging um den Wagen herum und öffnete für sie die Beifahrertür. »Bitte, Ihnen stets zu Diensten.« In seinen Augen stand der Schalk.
Carola zögerte nicht lange. »Danke.« Sie stieg ein.
Michael nahm neben ihr Platz. »Darf ich Sie zum Essen einl aden?« fragte er.
»Ja«, erwiderte sie, ohne erst lange darüber nachzudenken. »Ja, Sie dürfen.«
»Das ist ein Wort«, meinte er zufrieden und gab Gas.
* * *
So sehr sich Carola auch dagegen zu wehren versuchte, mit jedem Tag fühlte sie sich stärker zu Michael Lange hingezogen. Wenn sie frühmorgens erwachte, galt ihr erster Gedanke ihm. Sie freute sich darauf, ihm zu begegnen, mit ihm zu sprechen. Nie zuvor hatte sie einen Mann kennengelernt, der ihr so wichtig gewesen wäre, und als er sie fragte, ob sie Lust hätte, mit ihm das Somme rnachtsfest zu besuchen, sagte sie spontan zu.
Die Anwendungen in Bad Wiessee zeigten bei ihr erste Erfo lge. Sie fühlte sich lange nicht mehr so erschöpft wie noch zu Beginn der Behandlung. Auch ihre Schwindelanfälle ließen nach. Bei der Blutuntersuchung war nichts Gravierendes festgestellt worden. Sie hatte eine geringfügige Anämie, doch es war nicht nötig, diese zu behandeln. Dr. Schumann war überzeugt, daß gesunde Kost und genügend Bewegung dafür sorgen würden, ihr Blut völlig in Ordnung zu bringen.
Carola hatte sich in einer der Boutiquen, die unten am See l agen, ein neues Kleid gekauft. Es war Jahre her, seit sie zuletzt Tanzen gegangen war, und da sie nicht damit gerechnet hatte, es in Rottach-Egern zu tun, hatte sie auch nichts dabei, was sie beim Sommernachtsfest tragen konnte.
»Was für ein schönes Kleid«, meinte Say, als die junge Frau aus ihrem Zimmer kam, um sich mit dem Hotelier in der Halle zu treffen. Sie streckte automatisch die Hand aus, um es zu berühren und ließ sie gleich wieder sinken.
Carola bemerkte die tiefen Ringe, die unter den Augen der
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