Am Ende siegt die Liebe
diesem Fall ihren Sohn nie wiedersehen, befürchtete sie, ausgewiesen zu werden. Ihre Arbeit in Bangkok hatte sie aufgegeben. In ihrer Wohnung lebten bereits andere Leute. Wo hätte sie also hingehen können?«
»Und konnte Ihre Schwester Sie nicht wenigstens von der Bar aus a nrufen?«
»Sie sagt, daß sie nur zweimal eine Möglichkeit dazu gehabt hätte und da wäre sie nicht durchgekommen. Geld hatte sie auch nicht. Von ihrem Verdienst hat sie nicht einen Pfennig ges ehen.«
»Und wie ist es ihr gelungen, zu Ihnen zu ko mmen?«
»Kim hatte ihre Flucht schon lange geplant. Sie wartete nur auf eine günstige Gelegenheit. Diese kam, als ihr Werner Vogt wieder einmal David brachte und bei ihr übernachtete. Kaum war dieser Vogt eingeschlafen, nahm sie alles Geld, was er bei sich hatte, und verließ heimlich mit David durch eine Hintertür das Haus. Ihren Koffer hatte sie in einem Verschlag im Hof versteckt. Bis zur nächsten S-Bahn-Station war es nicht weit. Sie sind einfach in die nächste Bahn gestiegen. Zum ersten Mal seit langer Zeit hat Kim wirklich Glück gehabt. Die Bahn fuhr zum Bahnhof. Dort löste sie eine Fahrkarte nach München.«
»Hat Ihre Schwester Werner Vogt wenigstens inzwischen angezeigt?«
»Wie gesagt, Kim befürchtet, ausgewiesen zu werden. Ihre Aufenthaltsgenehmigung ist längst abgelaufen. Außerdem hat sie keinen Paß. Er ist ihr von Werner Vogt abgenommen worden.« Say seufzte leise auf. »Ich habe die Hamburger Polizei anonym angerufen und ihr von der Bar und auch von diesem Mann erzählt. Was daraus geworden ist, weiß ich nicht.« Sie blickte auf ihre Schwester, die inzwischen auf der Couch eingeschlafen war. »Ich weiß mir keinen Rat mehr. Ewig kann es nicht so weitergehen.«
»Und warum sprechen Sie nicht mit Herrn Lange über alles?«
»Ich möchte ihn nicht in diese Sache hineinziehen.« Say schüttelte den Kopf. »Herr Lange darf sich nicht gegen die Gese tze stellen. Außerdem bin ich mir nicht einmal sicher, ob er es tun würde. Für ihn steht immerhin eine Menge auf dem Spiel.«
»Und Sie meinen, daß bis jetzt noch keiner etwas von Kim und David gemerkt hat?«
»Ich bin mir nicht sicher. Jedenfalls hat keiner meiner Kollegen mit mir darüber gesprochen. Es ist natürlich ein großes Glück, daß die meisten von ihnen auch Ausländer sind und die anderen abends nach Hause fahren.« Sie stand auf. »Kommen Sie«, bat sie.
Carola folgte ihr in das kleine Schlafzimmer. Auf einer schmalen Liege unterhalb des Fensters lag David. Er hatte sich wie ein Kätzchen zusammengerollt. Einen Daumen im Mund schlief er tief und fest.
»Werden Sie jemandem von Kim und David erzählen?« fragte Say.
»Nein!« entschied Carola spontan. »Es ist Ihre Angelegenheit. Sie sollten es tun.« Impulsiv umarmte sie die junge Thailänderin. »Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann, kommen Sie zu mir. Ich werde sehen, was ich machen kann.« Sie blickte ihr in die Augen. »Werden Sie daran de nken?«
»Ja«, versprach Say und brachte sie zur Tür. An ihrer Situation hatte sich zwar nichts geändert, dennoch fühlte sie sich viel ruh iger als noch vor wenigen Stunden. Sie stand mit ihrem Problem nicht mehr allein auf der Welt. Endlich gab es einen Menschen, mit dem sie über alles sprechen konnte. Zum ersten Mal seit Wochen konnte sie wieder etwas aufatmen.
* * *
Zwischen Say, Kim und Carola entwickelte sich eine herzliche Freundschaft. Es fiel der jungen Frau zwar schwer, ihr Geheimnis vor Michael Lange zu wahren, da es ihr vorkam, als würde sie ihn hintergehen, aber sie war fest entschlossen, das Versprechen, das sie Say gegeben hatte, auch zu halten.
An diesem Vormittag war sie wieder zu ihren Anwendungen in Bad Wiessee gewesen. Auf dem Rückweg hatte sie in Tegernsee Station gemacht und war in ein Spielwarengeschäft gegangen. David hatte Geburtstag, seinen vierten. Sie hatte für ihn eine Garage und Matchbox-Autos gekauft. Für die beiden Frauen besorgte sie Pralinen.
Bester Laune kehrte Carola nach Rottach-Egern zurück. Als sie auf den Parkplatz fuhr, sah sie Michael Lange, der nur zwei M inuten vor ihr aus der Stadt gekommen war. »Hallo!« rief sie zu ihm hinüber.
Ihr Freund war mit wenigen Schritten bei ihr, und zog sie flüchtig in die Arme. »Hast du Lust, heute abend mit mir ins Kino zu gehen?« erkundigte er sich. »Es gibt einen Film mit Demi Moore.«
Carola drohte ihm mit dem Finger. »Muß ich etwa eifersüchtig sein?« fragte sie belustigt. »So, wie du ihren Namen
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