Am Ende siegt die Liebe
konnten.
»Woher kennst du Dr. Schumann?« erkundigte sie sich und strich ihren Rock glatt.
»Ich habe ihn wegen Halsschmerzen aufgesucht«, erwiderte er, und das war nicht einmal gelogen.
»Sind sie noch schlimm?«
»Nein, inzwischen spüre ich nichts mehr davon.«
»Dr. Schumann ist ein netter Mann. Meine Familie ist schon bei seinem verstorbenen Vater in Behandlung gewesen. Es ist ein Segen, daß er dessen Praxis übe rnommen hat.«
»Er scheint auch etwas von seinem Fach zu verst ehen.«
»Ja, davon bin ich überzeugt.«
Die Musiker betraten die festlich geschmückte Bühne. Brausender Beifall erklang. Dann wurde es ganz still und die ersten Töne von Sibelius' zweiter Sinfonie wehten wie ein feiner, durchsichtiger Schleier durch den Saal.
Stefan schloß die Augen. Er hatte Sibelius schon als Junge geliebt. Auch jetzt gelang es ihm, sich völlig der Musik hinzugeben. Ger ade die zweite Sinfonie beinhaltete alles, was auch er empfand. Liebe, Schmerz, Sehnsucht und die Bereitschaft, sich nicht willenlos dem Schicksal zu überlassen, sondern zu kämpfen.
Draußen war es bereits dunkel, als die jungen Leute das eh emalige Kloster verließen und zu ihrem Wagen gingen. Sie waren beide noch so von der Musik gefangen, daß sie kein Wort sprachen, sondern sich nur stumm bei den Händen hielten.
Auf dem See steuerte eines der Wassertaxis eine Mole an, die neben dem Restaurant lag, in dem sie gegessen hatten. Stefan blieb stehen. »Sollen wir noch ein Stückchen hinausfahren?« fragte er. »Um ehrlich zu sein, ich habe noch keine Lust, dich schon nach Hause zu bri ngen.«
»Und ich habe keine Lust, schon nach Hause zu fahren«, g estand Daniela. »Fahren wir nach Bad Wiessee hinüber, trinken dort etwas und kehren dann zurück.«
»Deine Eltern werden mir bestimmt die Ohren abre ißen.«
»Nein, sie mögen dich und sie wissen, .daß ich bei dir gut auf gehoben bin.«
Übermütig wie zwei Kinder rannten die jungen Leute zur Mole und erreichten sie gerade, als das Taxi anlegte. Sie warteten, bis die Passagiere ausgestiegen waren, und nahmen deren Plätze ein. Zehn Minuten später befanden sie sich bereits mitten auf dem See.
»Was für ein wundervoller Abend«, sagte Stefan und legte, den Arm um die Schultern seiner Freundin. Irgendwie konnte er es nicht fassen jemanden wie Daniela kennengelernt zu haben. Es erschien ihm wie ein Wunder.
»Ja.« Sie schmiegte sich an ihn. »Mir wird angst bei dem Geda nken daran, daß du Mitte August nach Köln zurückkehren. wirst«, gestand sie. »Es ist seltsam, wir kennen uns erst ein paar Tage und dennoch bist du mir schon so vertraut, als wären wir immer zusammengewesen.«
»Genauso erscheint es mir.« Der junge Lehrer zeichnete mit dem Zeigefinger die Konturen ihres Gesichtes nach. »Sieht aus, als hätten wir uns ineinander verliebt.« Daniela rührte sich nicht, sah ihn nur an. »Es ist verrückt. Es… Nein, nicht verrückt.« Er nahm sie zärtlich in den Arm und küßte sie sanft auf den Mund.
* * *
Am Montagmorgen saß Tina wie ein Häufchen Elend an ihrem Schreibtisch in der Aufnahme. Wider besseres Wissen hatte sie gehofft, daß sich Markus besinnen und zu ihr zurückkehren würde, aber er hatte sich weder am Samstagabend noch am Sonntag bei ihr gemeldet. Immer wieder kämpfte sie mit den Tränen. Es fiel ihr schwer, den Patienten ein freundliches Gesicht zu zeigen und auf ihre Wünsche einzugehen.
Katharina Wittenberg kam mit einem Teller Flachswickel in die Praxis. »Da habe ich etwas für den Kaffee gebracht«, sagte sie. »Geben Sie bitte dem Herrn Doktor und Franziska auch einen.«
»Danke, Frau Wittenberg.« Tina blickte nicht auf. So gern sie für gewöhnlich Flachswickel aß, ihr wurde schon bei dem Gedanken übel, etwas hinunterschlucken zu müssen.
Die Haushälterin nahm sich einen Stuhl und setzte sich zu der jungen Frau. Im Moment waren sie völlig allein. Die Patienten hielten sich im Wartezimmer, bei Franziska Löbl und im Sprec hzimmer von Dr. Schumann auf. »Ich meine, wir sollten einmal ein ernstes Wörtchen miteinander reden«, sagte sie. »Kein Mann ist es wert, ihm nachzurennen.«
»Woher wissen Sie, daß mich Markus betrügt?«
»Sagen wir, ich kann zwei und zwei zusammenzählen. Ich bin gestern in Bad Wiessee gewesen und da habe ich Ihren Freund mit einer jungen Frau gesehen, die einen alles andere als guten Eindruck auf mich gemacht hat.«
»Ja, das kann nur diese Sabine Wolff gewesen sein!« stieß Tina hervor. »Ich dachte
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