Am Ende siegt die Liebe
Durchgang.« Daniela wies auf eine dunkle Öffnung in der Wand. »Vermutlich geht es dort ins Wohnhaus hinüber.«
»Fragt sich,. wo der Eingang zum Keller liegt.« Stefan drehte sich im Kreis. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß er sich im Haus befindet. Wenn... Da!« Mit wenigen Schritten war er bei der off enen Falltür, die hinter dem Mahlstein lag. Er kniete sich hin und leuchtete in die Tiefe. Schmale, ausgetretene Stufen führten hinunter.
Daniela kniete sich neben ihren Freund. »Rainer!« rief sie nach unten. Ihre Stimme kam als Echo zurück. »Rainer!«
Plötzlich fiel ihr Blick auf eine Münze, die in einer Ecke der zweiten Stufe lag. Sie griff danach und drehte sie herum. »Sie gehört meinem Bruder«, sagte sie und sprang auf. »Mein Vater hat sie ihm vor zwei Jahren als Talisman geschenkt. Er trägt sie immer bei sich.«
»Also ist er unten im Keller.« Stefan stand ebenfalls auf. »Ich werde dort nach ihm suchen«, bestimmte er, als seine Freundin die Treppe hinuntersteigen wollte. »Komm erst, wenn ich rufe.« Er zog sie flüchtig an sich. »Bitte, sei vernünftig, Liebling. Wir wi ssen nicht, was uns dort unten erwartet. Wenn wir beide verunglücken, wird es lange dauern, bis man uns findet.«
Die junge Frau sah ein, daß er recht hatte. »Aber bitte sei vo rsichtig«, bat sie. »Ich habe solche Angst.«
»Unkraut vergeht nicht«, versicherte er und stieg Stufe um St ufe in die Tiefe.
Die Treppe mündete in einem schmalen Gang, der direkt aus dem Felsen geschlagen worden war. An den feuchten Wänden hingen verrostete Halterungen, in denen früher Fackeln gesteckt hatten. Teilweise war der Gang mit Holzbalken abgestützt worden, die so morsch wirkten, daß es Stefan jedesmal kalt über den Rücken rann, wenn er an einem vo rbeikam.
Vor ihm öffnete sich ein halbrunder Kellerraum, von dem and ere abzweigten. Das Licht seiner Taschenlampe erfaßte zerbrochene Weinfässer und offene Holzkisten. In einer Ecke gewahrte er einen Haufen Lumpen.
»Rainer!« rief er. »Rainer, wo bist du?«
Der Junge antwortete ihm nicht.
Stefan leuchtete in die angrenzenden Gewölbe. In einem von i hnen war ein großer Teil der Decke eingestürzt und hatte Rainers Beine unter sich begraben. Der Junge schien bewußtlos zu sein. Regungslos lag er auf dem Boden, die Arme weit von sich gestreckt.
Stefan machte keinen Versuch, Rainer unter den Trümmern vo rzuziehen. Davon abgesehen, daß er nicht wußte, wie schwer die Verletzungen des Jungen waren, mußte er damit rechnen, daß ein weiterer Teil der Decke einstürzen würde, falls der Trümmerberg in Bewegung geriet. Eilig kehrte er zur Treppe zurück.
Daniela kam ihm entgegen. »Hast du Rainer gefunden?« fragte sie angstvoll. »Was ist mit ihm?«
Stefan sagte es ihr. »Ich bleibe hier unten bei ihm«, bestimmte er. »Du fährst zum nächsten Hof und holst Hilfe. Und ruf im Krankenhaus an. Wir brauchen einen Notarzt.«
Daniela wußte, daß es auf jede Minute ankam. Deshalb stellte sie keine weiteren Fragen. »Paß auf dich auf«, bat sie, dann kle tterte sie die Treppe hinauf und drängte sich kurz darauf durch die Mauerbresche ins Freie.
Die junge Frau hatte kaum ihren Wagen erreicht, als ein weit eres Deckenstück einstürzte und den Eingang zu dem Kellergewölbe, in dem Rainer und Stefan auf Hilfe warteten, verschüttete. Doch davon ahnte sie zum Glück nichts.
* * *
»Tut mir leid, daß wir Sie schon wieder so spät rufen mußten, Herr Doktor«, meinte Klaus Wieland, als er Marc in den Hof hi nunterbrachte. »Sieht ganz so aus, als müßten wir vorläufig mit diesen unerwarteten Pseudokrupp-Anfällen leben.«
»Mir ist es lieber, Sie rufen mich einmal zuviel, als einmal z uwenig, Herr Wieland«, erwiderte der Arzt. Er blickte zum erleuchteten Fenster des Kinderzimmers hinauf. »Wollen wir hoffen, daß die Nacht für Sie ruhig verläuft und Kerstin jetzt durchschläft.« Es war das vierte Mal, daß er innerhalb der letzten Wochen am späten Abend oder in der Nacht auf den Wielandhof gerufen worden war. Die dreijährige Kerstin, das einzige Kind der Wielands, bekam seit über einem Jahr immer wieder Pseudokrupp-Anfälle, die teilweise so schlimm verliefen, daß man befürchten mußte, sie würde ersticken.
»Dann gehe ich mal wieder zu meiner Frau und Kerstin hi nauf.« Klaus Wieland streckte ihm die Hand hin. »Und nochmals danke, Herr Doktor. Es...«, überrascht blickte er zu dem Wagen, der gerade in den Hof fuhr. »Wer kann denn das noch sein?«
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