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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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nicht einsehen konnte. Er rief etwas, steckte dann die Hand in die Tasche, zog ein Handy heraus und tippte eine Nummer. Er wartete kurz, sagte etwas und rief dann wieder die Straße hinab.
    Joel eilte näher. Bis er den Lieferwagen erreichte, war der Mann in einem der Häuser verschwunden. Joel schaute die Straße hinab, um zu sehen, was dessen Aufmerksamkeit erregt hatte, und erkannte auf einen Blick, was sich dort abspielte: Zehn, zwölf Häuser weiter hatte eine Schar Jugendlicher wie eine Hundemeute eine Gestalt eingekreist, die sich auf dem Gehweg zusammenkauerte. Sie wirkte winzig vor der Häuserfront - wie ein Igel, der sich einrollt, um seine Weichteile zu schützen.
    Joel rannte und brüllte: »Du Arschloch, Wyatt! Lass ihn in Frieden!«
    Doch Neal Wyatt hatte keineswegs die Absicht, Toby in Frieden zu lassen, wollte er doch sein Versprechen einlösen. Dieses Mal hatte er seine ganze Clique zur Unterstützung mitgebracht,und bis Joel sie erreichte, hatte Neal schon ganze Arbeit geleistet: Toby weinte, hatte sich eingenässt, und seine geliebte Lavalampe lag zertrümmert auf dem Bürgersteig. Nur zähe Flüssigkeit und Glas- und Plastikscherben waren noch übrig, und dazwischen lag das Stromkabel wie eine tote Schlange.
    Joels Blickfeld verfärbte sich erst ins Rötliche, dann ins Schwarze, und wurde wieder klar. Von allen möglichen Optionen wählte er die tollkühnste. Er stürzte sich auf Neal Wyatt. Doch er kam nicht weiter als bis zum ersten Schlag, der nicht einmal ein richtiger Treffer war. Einer von Neals Kumpeln packte seine Arme von hinten, während ein anderer ihm die Faust in den Magen rammte. Neal brüllte: »Der Scheißer gehört mir!«, und danach ging alles ganz schnell. Joel spürte Fausthiebe auf sich niederregnen. Seine Lippe platzte auf. Er schmeckte Blut. Die Luft wich aus seiner Lunge, und er sank auf den Bürgersteig. Schwere Stiefel und Turnschuhe traten ihn in die Rippen.
    Schließlich rief irgendwer: »Scheiße! Abhauen!«, und die Angreifer zerstreuten sich in alle Richtungen. Neal war der Letzte. Er beugte sich zu Joel herab, packte ihn bei den Haaren und zischte mit dem übel riechenden Atem allmählich verfaulender Zähne: »Das nächste Mal brech ich ihm den Arm, Wichser.« Dann war auch er verschwunden.
    Was die Jungen offenbar von der Harrow Road aus hatten kommen sehen, war der Streifenwagen, der jetzt neben ihnen hielt. Ein Polizeibeamter stieg aus, während sein Kollege bei laufendem Motor im Fahrzeug sitzen blieb. Joel lag auf der Erde und sah die polierten Schuhe des Constables näher kommen.
    Ob es hier Schwierigkeiten gebe, wollte er wissen. Was denn los sei? Ob er hier wohne? Verletzt? Angeschossen? Was?
    Das Funkgerät im Wagen knisterte. Joel sah von den polierten Schuhen zu dem ausdruckslosen Gesicht auf, das auf ihn herabschaute - ein weißer Mann, dessen Mund sich angewidert verzog, als der Blick der trüben blauen Augen von Joel zu Toby wanderte und den Urin erfasste, der sich unverkennbar auf der Hose des Kindes abzeichnete. Tobys Augen waren so fest zugekniffen, dass sein ganzes Gesicht nur noch aus Furchen zu bestehen schien.
    Joel streckte die Hand nach seinem Bruder aus. »Is' okay, Mann«, sagte er. »Lass uns heimgeh'n. Alles klar, Tobe? Hier, guck mal, die sind weg. Polizei is' gekomm'. Alles okay, Tobe?«
    Der Fahrer des Streifenwagens bellte herüber: »Bernard, wie sieht's aus? Jemand verletzt?«
    Nur das Übliche, gab Bernard zurück, was solle man auch erwarten, diese Typen hätten ja nichts anders im Sinn, als sich gegenseitig umzubringen, und wenn es nach ihm ginge, lieber früher als später.
    »Sollen wir sie ein Stück mitnehmen? Lass sie einsteigen. Wir bringen sie nach Hause.«
    »Kommt nicht infrage«, widersprach Bernard. »Der eine hat sich in die Hose gepisst, und ich will den Gestank auf keinen Fall im Wagen haben.«
    Der Fahrer fluchte. Er trat so heftig auf die Feststellbremse des Wagens, dass es klang, als würden rasselnde Ketten über Beton geschleift. Dann stieg er aus, trat zu Bernard und schaute auf Joel und Toby hinab. Inzwischen hatte Joel sich auf die Knie gehockt und versuchte, Toby zu bewegen, seine zusammengekauerte Schutzposition aufzugeben. »Los, steig ein«, sagte der Fahrer, und es dauerte einen Moment, ehe Joel begriff, dass nicht er, sondern Bernard gemeint war. »Dann guck doch selbst, wenn du so drauf stehst«, blaffte Bernard seinen Kollegen an und ging zurück zum Wagen.
    Der zweite Polizist hockte sich neben

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