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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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bitte um Erlaubnis, ehe du einen Gegenstand von seinem Platz nimmst«, wies Majidah sie zurecht. »Das ist mein erster Mann.«
    Ness riss die Augen weit auf. »Wie alt war'n Sie'n da? Scheiße, Sie könn' doch nich' älter ...«
    »Vanessa, Schimpfwörter dulde ich hier nicht. Stell die Fotografie weg, und mach dich nützlich! Bring das hier zum Tisch hinüber! Nimmst du Teacake, oder bist du in der Lage, etwas Interessanteres zu probieren als das, was ihr Engländer gewöhnlich um diese Tageszeit zu euch nehmt?«
    »Teacake is' okay«, antwortete Ness. Sie hatte nicht die Absicht, irgendetwas anderes zu probieren. Sie stellte das Foto zurück, fuhr aber fort, Majidah anzustarren wie eine unbekannte Spezies. »Wie alt war'n Sie da? Wieso ha'm Sie so 'nen Opa geheiratet?«
    »Ich war zwölf, als ich zum ersten Mal geheiratet habe. Rakin war achtundfünfzig.«
    »Zwölf? Zwölf Jahre alt, und mit so 'nem alten Knacker zusammen? Was zum Geier ha'm Sie sich dabei gedacht? Hat er ... ha'm Sie ... ich mein ... mit dem?«
    Majidah ließ heißes Wasser aus der Leitung in die Teekanne laufen, um sie vorzuwärmen. Dann holte sie eine braune Papiertüte mit losem Tee aus einem Schrank. Sie nahm Milch aus dem Kühlschrank und schenkte sie in ein weißes Kännchen. Erst als all das getan war, antwortete sie: »Meine Güte, wie unhöflich deine Fragerei ist. Man hat dich doch sicher nichtdazu erzogen, so mit einem Erwachsenen zu sprechen.« Sie hob die Hand, um Ness' Protest zuvorzukommen, und fuhr fort: »Aber ich habe inzwischen begriffen, dass ihr Engländer anderen Kulturen gegenüber nicht so respektlos seid, wie ihr manchmal erscheint. Rakin war der Cousin meines Vaters. Er kam von England zurück nach Pakistan, nachdem seine erste Frau gestorben war, weil er überzeugt war, eine neue zu brauchen. Er hatte zu dem Zeitpunkt bereits vier erwachsene Kinder, also hätte man doch annehmen können, dass er den Rest seiner Tage in ihrer Gesellschaft verbringen würde. Aber das war nicht Rakins Art. Er kam zu uns nach Hause und nahm uns in Augenschein. Ich habe fünf Schwestern, und da ich die jüngste bin, nahmen natürlich alle an, er würde eine der anderen wählen. Aber das tat er nicht. Er wollte mich. Ich wurde ihm vorgestellt, und dann wurden wir verheiratet. Damit war die Angelegenheit erledigt.«
    »Scheiße«, sagte Ness. Dann fügte sie hastig hinzu: »'tschuldigung. Tut mir leid. Is' mir rausgerutscht.«
    Majidah presste die Lippen zusammen, um ein Lächeln zu unterdrücken. »Wir heirateten in meinem Dorf, und dann hat er mich nach England gebracht - ein kleines Mädchen, das kein Wort Englisch sprach und nicht das Geringste über das Leben wusste, nicht einmal kochen konnte. Aber Rakin war ein sanftmütiger Mann in allen Dingen, und ein sanftmütiger Mann ist ein geduldiger Lehrer. Also lernte ich zu kochen. Und andere Dinge. Ich bekam mein erstes Kind zwei Tage vor meinem dreizehnten Geburtstag.«
    »Nich' zu fassen«, rief Ness ungläubig.
    »Doch, doch, genau so war es.« Der Wasserkocher schaltete sich aus, und Majidah goss den Tee auf. Sie toastete den Teacake für Ness und stellte ihn zusammen mit einem Eckchen Butter auf den Tisch, doch für sich selbst holte sie Papadams und Chutney - beides, wie sie betonte, selbst gemacht. Als alles bereit war, setzte sie sich hin und fuhr fort: »Mein Rakin starb mit einundsechzig. Ein plötzlicher Herzinfarkt, und es war vorbei. Und da stand ich nun, fünfzehn Jahre alt, mit einem kleinen
    Kind und vier Stiefkindern um die dreißig. Ich hätte natürlich bei ihnen leben können, aber sie wollten das nicht: eine halbwüchsige Stiefmutter mit einem Kleinkind, für die sie verantwortlich gewesen wären. Also wurde ein neuer Ehemann für mich gefunden. Das war mein unglücklicher zweiter Mann, der siebenundzwanzig endlose Jahre am Leben blieb, ehe er endlich so viel Verstand aufbrachte, diese Welt aufgrund eines Leberversagens zu verlassen. Von ihm habe ich keine Bilder.«
    »Ha'm Sie Kinder von dem?«
    »Ach du meine Güte, ja. Fünf. Sie alle sind inzwischen erwachsen und haben eigene Kinder.« Sie lächelte. »Und wie sie es missbilligen, dass ich nicht bei einem von ihnen leben möchte! Leider haben sie die traditionelle Sichtweise ihres Vaters geerbt.«
    »Und was is' mit dem Rest Ihrer Familie?«
    »Der Rest?«
    »Ihre Eltern. Ihre Schwestern.«
    »Ah. Sie sind in Pakistan geblieben. Meine Schwestern haben natürlich auch geheiratet und Familien gegründet.«
    »Seh'n Sie

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