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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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starrte die Wand an. Sie zündete sich eine neue Zigarette an, als hoffte sie, der Qualm würde ihr die Sinne vernebeln. Denn was sie vor sich sah, war Ness' Gesicht. Sie hatte keine Verurteilung in dem Ausdruck erkannt. Auch keinen wissenden Sarkasmus. Vielmehr hatte sie in dieser Miene Überraschung gelesen, die blitzschnell einer desillusionierten Resignation gewichen war, die zu empfinden keine Fünfzehnjährige in der Lage sein sollte. In Kendra stieg ein Gefühl auf, mit dem sie nicht gerechnet hatte, als sie Geoff in ihr Bett einlud: Scham.
    Schließlich raffte sie sich auf, ging ins Bad und ließ die Wanne volllaufen. Das Wasser war so heiß, dass sie es gerade noch aushalten konnte. Sie stieg hinein und spürte das Brennen auf der Haut. Dann ließ sie sich zurücksinken und hob das Gesicht zur Decke. Sie weinte.
    18
    In Bezug auf Ness ging Kendra viel härter mit sich selbst ins Gericht als nötig. Denn Ness war mit ganz anderen Dingen beschäftigt, als sich um die Anwesenheit eines fremden weißen Mannes in Kendras Schlafzimmer zu scheren. Sicher, ihn dort anzutreffen war eine Überraschung gewesen. Ness hatte das übliche Getöse gehört und angenommen, Dix sei zurückgekehrt. Doch zu ihrem Erstaunen hatten das Quietschen und Poltern von Kendras Bett über ihr nicht die gleichen Gefühle in ihr ausgelöst wie früher. Vielmehr war sie aufgewacht, hatte lediglich das Gesicht verzogen und dann gemerkt, dass sie zur Toilette musste. In der Annahme, Dix sei bei ihrer Tante - was bedeutete, dass er die ganze Nacht bleiben würde und sie kaum damit rechnen musste, ihm zu begegnen, wenn sie ins Bad ging -, war sie die Treppe hinaufgestiegen, nur um einen Fremden aus Kendras Schlafzimmer kommen zu sehen.
    Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da jeder Mann, der aus Kendras Zimmer kam, sie mit Eifersucht erfüllt hätte, die nur unzureichend als Ekel getarnt war. Doch inzwischen hatte sie ein Papadam mit einer pakistanischen Frau geteilt, die sie, so hatte sie geglaubt, nicht einmal leiden konnte. Einige Tage später hatte Majidah ihr eröffnet, sie werde die Kindertagesstätte heute früher schließen. Ness hatte angenommen, dass sie den Rest des Nachmittags frei habe. Doch Majidah hatte sie schnell eines Besseren belehrt und ihr erklärt, dass sie in Covent Garden Bastelmaterial abzuholen hätte. Ness solle mitkommen und ihr helfen.
    Ness kam sich ausgenutzt vor. Gemeinnützige Arbeit hieß doch sicher nicht, dass sie wie eine Dienstmagd durch ganz London gondeln musste, oder?
    Majidah informierte sie jedoch, dass der Richter nicht Nessdie Entscheidung darüber übertragen habe, worin die gemeinnützige Arbeit bestünde. »Wir brechen um Punkt zwei Uhr auf«, kündigte sie an. »Wir werden die U-Bahn nehmen.«
    »Hey, ich hab nix ...«
    »Bitte. >Hab nix< - was für eine Sprache ist das denn, Vanessa? Wie willst du hoffen, je etwas aus deinem Leben zu machen, wenn du so sprichst?«
    »Hä? Als ob ich je was aus mir machen könnt.«
    »Aber selbstverständlich! Wieso denn nicht? Aber glaubst du etwa, dass du ein Anrecht darauf hast und nichts dafür tun musst? Und was genau ist es eigentlich, das du willst? Ruhm? Reichtum? Noch mehr von diesen albernen hochhackigen Schuhen? Oder bist du eine dieser dummen jungen Frauen, denen es nur darum geht, prominent zu werden? Eine berühmte Schauspielerin, ein Model, ein Popstar? Ist es das, Vanessa? Berühmtheit als höchstes Ziel, wo du doch tun könntest, was immer du willst. Eine junge Frau wie du, die obendrein keinen Mann hat, der ihr Geschick bestimmt, als sei sie ein Stück Vieh! Du könntest nach den Sternen greifen, aber du bist nicht im Mindesten dankbar für dieses Privileg. Du träumst nur davon, ein Popstar zu sein.«
    »Hab ich das gesagt?«, warf Ness grantig ein, als Majidah sich unterbrechen musste, um Atem zu schöpfen. »Hab ich nur einmal irgendwas in der Richtung behauptet? Echt, Majidah, Sie ha'm totale Vorurteile, hat Ihnen das schon mal einer gesagt? Und wie sind wir jetzt eigentlich darauf gekommen? Ich hab nix ...« Sie sah Majidahs sturmumwölkte Miene und lenkte ein: »Ich verfüge nicht über genügend Geld für das U-Bahn-Ticket«, sagte sie artig.
    Majidah musste ein Lächeln unterdrücken, als sie Ness' vornehme Formulierung hörte. Sie fragte: »Und das ist alles? Du meine Güte, Vanessa, ich hatte nicht die Absicht, dich selbst für dein Ticket bezahlen zu lassen. Das hier ist Arbeit, und das Geld für deinen Fahrschein lassen wir uns

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