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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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hier in North Kensington eine solche Einrichtung nicht gebe, sei es vielleicht eine Überlegung wert, Joel einmal hinzuschicken. Colossus habe offensichtlich eine hohe Erfolgsquote mit Jungen wie ihm.
    Kendra reagierte nur auf diesen letzten Satz: »Jungen wie ihn? Wie meinen Sie das?«
    Fabia hatte sie nicht kränken wollen. Sie wusste, die Frau auf der anderen Seite des Ladentischs tat ihr Bestes für die drei Kinder, die sie in ihr Heim aufgenommen hatte. Aber die Ausgangslage war von vornherein problematisch gewesen: Sie hatte keinerlei Erfahrung mit Kindern, und ausgerechnet diese drei hatten weitaus anspruchsvollere Bedürfnisse, als eine alleinstehende, unerfahrene Ersatzmutter befriedigen konnte. Genau aus diesem Grund gerieten so viele Kinder in Konflikt mit dem Gesetz. Nicht etwa weil ein böser Samen tief in ihrem Innern schlummerte, bis der richtige Moment kam, um aufzukeimen. Wenn Fabia eine Chance sah, ein Kind von seinem unheilvollen Weg abzubringen, ergriff sie sie gern.
    »Ich habe das Gefühl, dass Joel größere Probleme hat, als wir sehen können, Mrs. Osborne.« Sie tippte mit dem Finger auf das Faltblatt, das Kendra auf der Theke hatte liegen lassen. »Diese Gruppe hier bietet Freizeitaktivitäten, Beratung und Ausbildungen ... Ich möchte, dass Sie darüber nachdenken. Ich bin gerne bereit, mit Ihnen - und natürlich auch mit Joel - dort hinzufahren und mit den Leuten zu sprechen.«
    Kendra betrachtete das Infoblatt genauer. Sie las die Adresse. »Elephant and Castle?«, fragte sie. »Er kann unmöglich jeden Tag dort hinfahren. Er hat doch Schule. Und er muss mir mit Toby helfen. Er muss ...« Sie schüttelte den Kopf und schob die Broschüre der Sozialarbeiterin wieder hin.
    Fabia hatte mit dieser Reaktion gerechnet, also ging sie zu ihrem zweiten Vorschlag über: Joel brauche ein männliches Vorbild, einen Mentor, einen Freund. Jemand, der älter war als er und gefestigt, der Interessen in dem Jungen wecken konnte, die über das hinausgingen, was die Straße zu bieten hatte.
    Augenblicklich dachte Kendra an Dix: Gewichtheben, das Fitnessstudio, Bodybuilding. Aber sie konnte nicht schon wieder zu Dix gehen, nachdem sie sich mit ihrem indirekten und alles andere als aufrichtigen Versuch, ihn in ihr Leben zurückzuholen, schon einmal erniedrigt hatte. So blieb nur noch einer, der Kendra in den Sinn kam - jemand, der immer wieder an der Peripherie von Joels Leben aufgetaucht war, seit der Jungedie Holland Park School besuchte. »Er hat sich immer mit so einem weißen Mann in der Schule getroffen.«
    »Ach. Im Rahmen dieses Mentorenprogramms? Ich habe davon gehört. Wer war dieser Mann?«
    »Er heißt Ivan ...«
    »Mr. Weatherall? Joel kennt ihn?«
    »Er ist eine Zeit lang zu seinen Literaturabenden gegangen. Joel hat auch eigene Gedichte geschrieben. Immerzu hat er irgendwas in seinen Notizblock gekritzelt. Gedichte für Ivan, hat er mir erklärt. Ich glaube, es hat ihm Spaß gemacht.«
    Das könnte die Lösung sein, dachte Fabia. Sie hatte von Ivan Weatherall gehört: ein Exzentriker in den Fünfzigern, mit einem hoch entwickelten sozialen Gewissen, das bei Menschen seiner Herkunft selten war. Er stammte aus einer begüterten Familie in Shropshire, deren Wohlstand in Ivan die Überzeugung hätte wecken können, ein Anrecht auf ein Leben in Luxus zu haben, wie man es bei so vielen Leuten sah, deren Reichtum ihnen ein mehr oder minder sinnloses Leben zu führen gestattete. Doch die Weatheralls waren im neunzehnten Jahrhundert mit der Fertigung von Handschuhen zu Wohlstand gekommen, und vielleicht war das der Grund, warum Ivan eine andere Einstellung zu Geld und seiner Verwendung hatte. Wenn man Joel ermuntern könnte, die Beziehung mit Ivan Weatherall zu intensivieren ...
    »Ich rufe in der Schule an und erkundige mich, ob Ivan Weatherall immer noch Joels Mentor ist«, versprach Fabia. »Und würden Sie ihn Ihrerseits ermuntern, weiterhin zu schreiben? Ich will ganz offen zu Ihnen sein: Es ist nicht viel, dieses Gedichteschreiben, aber vielleicht hilft es ihm. Und er braucht irgendetwas, Mrs. Osborne. Das tun alle Kinder.«
    Die Bedürfnisse der Kinder waren ein Reizthema für Kendra. Sie wollte Fabia Bender loswerden, also versprach sie zu tun, was in ihrer Macht stand, um Joel zu bewegen, wieder Ivan Weatheralls Schreibklasse zu besuchen. Doch als die Sozialarbeiterin sich den gelben Hut auf den Kopf stülpte, zu ihren Hunden sagte: »Kommt, Jungs«, und den Laden verließ, fand
    Kendra sich um

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