Am Ende war die Tat
Garden herrührte. Insgeheim war Majidah stolz darauf. Ness hingegen war unverkennbar verlegen. Sie hasste es, jemandes Erwartungen zu erfüllen, und selbst wenn sie nicht wusste, was genau Majidahs Erwartungen gewesen waren, so war doch die Tatsache, dass ihr Besuch in der Werkstatt in Soho sie überhaupt erst auf die Hutmacherei gebracht hatte, Beweis genug, dass Majidah hier die Strippen zog. Das verlieh ihr in Ness' Augen Macht, und Macht war das Letzte, was Ness ihr zugestehen wollte.
»Das also«, sagte Majidah, als Ness die Tabletts auf die Arbeitsplatte stellte, »ist deine Reaktion auf einen kleinen Rückschlag, ja? Miss Bender bringt dir Neuigkeiten, die jeder andere, durchschnittlich begabte Mensch als gute Neuigkeiten bezeichnen würde. Und nur weil es nicht exakt die Neuigkeiten sind, die du erwartet hast zu hören, willst du gleich das Handtuch werfen?«
»Wovon reden Sie eigentlich?«, fragte Ness missmutig.
»Du weißt ganz genau, wovon ich rede. Mädchen wie du sind alle gleich. Was sie wollen, wollen sie besser gestern als heute, und zwar ohne den nötigen Weg zum Ziel zu beschreiten. Sie wollen ... was weiß ich ... dürre, kränkliche Mannequins werden, Astronautin oder Erzbischof von Canterbury. Was auch immer. Und sie gehen immer auf die gleiche Weise heran: ohne jegliche Strategie. Und selbst wenn sie eine hätten, was würde das nützen, wenn sie das, was sie erreichen wollen, nicht bis zum Abendessen kriegen können? Das ist das Problem mit Mädchen wie dir. Und mit den Jungen ebenso. Alles muss sofortpassieren. Ihr habt eine Idee, und ihr wollt ein Ergebnis. Jetzt, auf der Stelle. Was für ein Unsinn.«
»War's das?«, fragte Ness. »Denn ich muss hier nich' rum- steh'n und mir Ihr Gezeter anhör'n, Majidah.«
»Oh doch, genau das musst du, Miss Vanessa Campbell. Fabia Bender hat eine Chance für dich aufgetan, und du wirst sie verdammt noch mal wahrnehmen. Und wenn du das nicht tust, werde ich sie bitten müssen, dir eine andere Stelle zur Verrichtung deiner gemeinnützigen Arbeit zu suchen. Man kann wohl kaum von mir erwarten, dass ich mich hier mit einem vollkommen hirnlosen Mädchen herumplage. Und genau als solches würdest du dich erweisen, wenn du diesen Kurs nicht antrittst.«
Ness war sprachlos, dass Majidah das Wort »verdammt« in den Mund genommen hatte, darum antwortete sie nicht sofort.
Fabia Bender war nicht so unnachsichtig wie Majidah. Sie bat Ness, über das Angebot nachzudenken. Einhundert Pfund sei alles, was sie habe auftreiben können. Möglicherweise würde es im Frühling und Sommer aber mehr Geld geben, um Studenten im nächsten Herbsttrimester zu fördern. Doch im Augenblick hieß es: zugreifen oder bleiben lassen. Ness könne in Ruhe darüber nachdenken, aber die Einschreibefrist rücke näher, also sollte sie sich mit dem Nachdenken vielleicht nicht allzu viel Zeit lassen ...
Wenn sie hier ein Wörtchen mitzureden hätte, wäre eine Bedenkzeit völlig unnötig, versicherte Majidah. Ness werde das Angebot annehmen, sie werde regelmäßig teilnehmen und dankbar und fleißig sein.
Das sei gut und schön, antwortete Fabia nachsichtig, aber diejenige, die antworten müsse, sei Ness ...
Für Majidah stand fest, wie Ness' Antwort zu lauten habe, und darum lud sie das Mädchen am nächsten Nachmittag zu sich nach Hause zum Tee ein, sobald sie die Kindertagesstätte verriegelt und verrammelt und die Nachtbeleuchtung eingeschaltethatten. An der Golbourne Road machte sie ihre üblichen Einkäufe: Zucchini, Schellfisch, einen Laib Brot und einen Karton Milch. Dann führte sie ihren Schützling zum Wornington Green Estate und in ihre Wohnung hinauf, wo sie den Kessel aufsetzte. Sie hieß Ness, den Tisch für drei zu decken, ohne preiszugeben, wen sie noch erwartete.
Doch das Geheimnis lüftete sich bald. Kaum kochte das Wasser, kündigte das Geräusch eines Schlüssels in der Wohnungstür die Ankunft von Sayf al Din an. Er trat jedoch nicht sofort ein. Vielmehr rief er durch den Türspalt: »Ma? Bist du präsentabel?«
»Was sollte ich denn sonst sein, du dummer Junge?«
»Verschlungen in leidenschaftlicher Umarmung mit einem Rugbyspieler? Mitten in einer Nackttanzdarbietung wie Isadora Duncan?«
»Wer ist das denn schon wieder? Irgendein verkommenes englisches Mädchen, das du kennengelernt hast? Ein Ersatz für deine Zahnärztin? Und warum muss sie wohl ersetzt werden, frage ich dich? Ist sie endlich mit dem Kieferorthopäden durchgebrannt? Das kommt davon,
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