Am Ende war die Tat
wissen. Und wie solle sie Rands Arbeit erledigen - oder auch nur einen Teil davon -, wenn sie gleichzeitig noch ihre Sozialstunden ableisten musste?
Das sei kein Problem, antwortete Majidah. Zum einen sei Rand bei der Arbeit so langsam gewesen wie eine betäubte Schildkröte, da ihre Sicht völlig eingeschränkt war durch dieses schwarze Bettlaken, das abzulegen sie sich aber weigerte, als werde Sayf al Din über sie herfallen, sobald er auch nur einen
Blick auf sie erhaschte. Eine Vollzeitkraft werde kaum nötig sein, um Rand zu ersetzen. Tatsächlich würde vermutlich ein einarmiger Affe ausreichen, um ihre Arbeit zu erledigen. Zweitens werde Ness ihre Tage zukünftig in zwei gleiche Abschnitte unterteilen und die Hälfte ihrer Zeit auf die gemeinnützige Arbeit verwenden, die andere Hälfte in Sayf al Dins Studio verbringen. Das sei übrigens alles schon mit Fabia Bender geklärt und von ihr abgesegnet.
Aber wann sollte sie noch den Hutmacherkurs besuchen, fragte Ness. Wie sollte sie alles drei bewältigen: die Arbeit für Sayf al Din, die Kindertagesstätte und den Kurs? Das konnte sie unmöglich schaffen.
Natürlich nicht, stimmte Majidah zu. Jedenfalls nicht gleich von Anfang an. Aber wenn sie sich erst einmal daran gewöhnt habe zu arbeiten, statt herumzulungern wie die meisten jungen Mädchen, werde sie feststellen, dass sie für weit mehr Dinge Zeit hätte, als sie dachte. Zuerst einmal werde sie nur für Sayf al Din und in der Kindertagesstätte arbeiten. Bis sie sich in den Rhythmus eingefunden und die nötige Ausdauer entwickelt habe, würde ein neues Trimester beginnen, und sie könne ihren Hutmacherkurs besuchen.
»Ich soll wirklich alles drei machen?«, fragte Ness ungläubig. »Den Kurs besuchen, in der Hutmacherei arbeiten und die gemeinnützige Arbeit. Und wann soll ich schlafen und essen?«
»Es ist nicht perfekt, du törichtes Mädchen«, entgegnete Majidah. »Aber man kann es sich nicht zurechtzaubern. Oder hast du es etwa durch Zauberei zum Erfolg gebracht, mein Sohn?«
Sayf al Din versicherte seiner Mutter, das sei nicht der Fall gewesen.
»Harte Arbeit, Vanessa«, betete Majidah ihr vor. »Harte Arbeit ist es, was folgen muss, wenn eine Gelegenheit sich bietet. Es wird höchste Zeit, dass du das lernst. Also entscheide dich.«
Ihre Ungeduld machte Ness nicht so blind, dass sie unfähig gewesen wäre, die Tür zu sehen, die sich ihr hier auftat. Doch weil es nicht exakt die Tür war, die sie durchschreiten wollte,stürzte sie sich nicht gerade mit übermäßiger Dankbarkeit auf den Vorschlag. Dennoch stimmte sie dem Plan zu, woraufhin Majidah - vorausschauend wie immer - einen absolut wasserdichten Vertrag zutage förderte, den Ness unterschreiben sollte. Der Vertrag gab die genauen Zeiträume für die Arbeitsstunden bei Sayf al Din und in der Kindertagesstätte vor, ebenso wie einen Rückzahlplan für die sechzig Pfund inklusive Zinsen. Ness unterschrieb, Majidah ebenso, und Sayf al Din bezeugte die Unterschriften. Damit war das Geschäft besiegelt. Majidah hob die Teetasse und brachte einen Trinkspruch aus: »Streng dich an, du nichtsnutziges Mädchen!«
Ness nahm ihre Arbeit bei Sayf al Din umgehend auf. Nachdem sie die Morgenstunden in der Kindertagesstätte gearbeitet hatte, fuhr sie nachmittags in sein Studio. Anfangs gab er ihr nur einfache Aufgaben, doch wann immer er mit etwas beschäftigt war, von dem er glaubte, es könne ihrer Ausbildung dienlich sein, rief er sie zu sich und wies sie an, ihm zuzuschauen. Er erklärte ihr, was er tat, und das mit der Leidenschaft eines Mannes, der die Arbeit verrichtete, zu der Gott ihn bestimmt hatte.
Es dauerte nicht lange, bis Ness' Schutzpanzer rissig zu werden begann. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte; jemand mit ein bisschen mehr Weitsicht hätte es vermutlich die überfällige Wiederaufnahme sozialer Kontakte genannt.
Kendra war so erleichtert über die Veränderung, die sie an Ness beobachtete, dass sie sträflich unachtsam wurde, was Joel betraf. Als er so voller Begeisterung von Ivan Weatheralls Drehbuchkurs sprach und insbesondere von dem Filmprojekt, das Ivan verwirklichen wollte, gab sie ihm ihren Segen - vorausgesetzt, seine Schulnoten besserten sich. Er dürfe hin und wieder für einen Abend aus dem Haus, versprach sie ihm, und wenn sie selbst nicht auf Toby aufpassen könne, werde Ness das übernehmen. Wenn auch nicht freudestrahlend, stimmte Ness diesem Plan doch zu, und das war immerhin schon mehr, als ihr
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