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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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männliches Vorbild, zu dem er eine Beziehung entwickeln kann.«
    »Ich bin schuld«, warf Dix ein, denn er glaubte, dass er zumindest einen Teil der Verantwortung dafür trug, was mit Joel passiert war, selbst wenn er immer noch nicht wusste, was genau eigentlich vorgefallen war. »Ich könnte mehr mit Joel machen als bisher. Ich hab mich nich' genug bemüht, weil ...« Er stieß die Luft aus und dachte an all die Gründe, warum er nicht die Vaterfigur war, für die er sich gehalten hatte: die Verpflichtungen seiner eigenen Familie gegenüber, sein Ehrgeiz als Bodybuilder, seine unstillbare Gier nach Kendras Körper, seine Hilflosigkeit angesichts der Probleme der Kinder, sein Mangel an Erfahrung und gemeinsamer Vergangenheit mit ihnen, das Idealbild dessen, was eine Familie seiner Meinung nach sein sollte. Einige dieser Gründe für sein Versagen konnte er benennen, die anderen erahnte er eher intuitiv. Auf jeden Fall fühlte er sich schuldig, und all das brachte er schließlich zum Ausdruck: »... weil das Leben eben so ist, wie es ist. Ich wollte mehr für die Kids tun, und von jetz' an werd' ich das auch.«
    Fabia Bender sah es nicht als ihre Aufgabe an, Familien auseinanderzureißen, und sie wollte gerne glauben, dass das Engagement dieser beiden Menschen, die hier mit ihr an dem viel zu kleinen Küchentisch saßen, eine Chance darstellte. Eine Chance, dass Joels Probleme für sie alle als eine Art Weckruf fungieren könnten. Dennoch war sie verpflichtet, auch den Rest dessen zu sagen, wozu sie gekommen war. »Wir müssen uns Gedanken über die Zukunft der Kinder machen. Manchmal ist ein neues Umfeld - vielleicht nur für kurze Zeit - notwendig, um eine Veränderung zu bewirken. Ich möchte, dass Sie darüber nachdenken. Eine Alternative wäre, sie in Pflege zu geben. Oder in eine Schulform mit Internatsunterbringung: eine Sonderschule, die auf Tobys Bedürfnisse zugeschnitten wäre ...«
    »Toby kommt wunderbar zurecht dort, wo er ist«, warf Kendra ein. Sie sagte es mit fester Stimme, ließ sich die aufsteigende Panik nicht anmerken.
    »... und auch Joel könnte ein solcher Schulwechsel eine neue Richtung geben«, fuhr Fabia unbeirrt fort. »Dann wüssten wir sie gut versorgt und könnten uns ganz auf Ness konzentrieren ...«
    »Darüber muss ich nicht nachdenken«, beschied Kendra. »Ich kann sie nicht in Pflege geben. Oder wegschicken. Sie würden das niemals verstehen. Sie haben schon zu viel durchgemacht. Sie haben ...« Sie hob die Hände zu einer hilflosen Geste. Vor dieser Frau Tränen zu vergießen, war undenkbar, also sprach sie lieber nicht weiter.
    Dix sagte es für sie: »Jetz' tun doch alle, was sie soll'n, oder?«
    »Ja«, räumte Fabia Bender ein. »Theoretisch. Aber Ness muss ...«
    »Dann lassen Sie uns 'ne Familie sein. Wir kümmern uns um Ness. Und um die Jungs. Wenn wir das nich' mehr tun, könn' Sie ja wiederkomm'.«
    Fabia willigte ein, aber sie alle wussten, wie unerfüllbar die Aufgaben waren, die sich vor den beiden Erwachsenen auftürmten. Es gab zu viele Bedürfnisse, und die wenigsten davon waren so einfache Bedürfnisse wie Essen, Kleidung oder ein Dach über dem Kopf, die nur Geld und ein bisschen Zeit zum Einkaufen erforderten. Was aber die tiefer gehenden Bedürfnisse anging - Ängste zu lindern, alltägliche Sorgen zu zerstreuen, den Schmerz der Vergangenheit mit der Realität der Gegenwart und den Möglichkeiten der Zukunft in Einklang zu bringen ... all das erforderte professionelle Hilfe. Die Tante und ihr Freund sahen dies nicht ein, sah Fabia, aber sie war klug genug zu wissen, dass man zu gewissen Erkenntnissen von selbst gelangen musste.
    Sie sagte ihnen, sie werde in zwei Wochen wiederkommen, um nach ihnen zu sehen. Doch bis dahin müssten sie dafür sorgen, dass Ness nach Oxford Gardens zur Therapie kam. Der Richter würde darauf bestehen.
    »Ich brauch keine Scheißtherapie«, schnaubte Ness.
    »Wär dir Jugendknast vielleicht lieber?«, entgegnete Kendra. »Oder weggeschickt zu werden? In Pflege? Und wäre es dir lieber, Toby würde in irgendein Heim gesteckt und Joel auf ein Internat? Ist es vielleicht das, was du brauchst, Vanessa Campbell?«
    »Ken, Ken«, ging Dix dazwischen. »Sachte.« Er bemühte sich, Verständnis für Ness in seine Stimme zu legen. So wie er sich bemühte, Joel und Toby ein Vater zu sein: Er kontrollierte ihre Hausaufgaben, sah ihnen beim Skateboardfahren in Meanwhile Gardens zu, wenn das Winterwetter es erlaubte, erübrigte mit Mühe zwei

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