Am Ende war die Tat
Schlafzimmer Joel doch alles, was er wissen musste. Denn Essen im Schlafzimmer war verboten, aber was immer passiert war, musste noch schlimmer sein. Er wusste, es hatte keinen Zweck, hier unten zu bleiben. Widerstrebend nahm er ein paar Plätzchen, ging nach oben, sorgte dafür, dass Toby es sich mit seinem Skateboard und den Leckereien auf dem Bett gemütlich machte, und ging zurück zur Treppe. Er schlich ein Stück abwärts, setzte sich dann auf eine Stufe und spitzte die Ohren, um die Hiobsbotschaft zu hören.
»... ihre Fähigkeit, mit der Situation fertig zu werden, realistisch betrachten ...«, hörte er Fabia Bender sagen.
»Es sind meine Nichte und meine Neffen «, erwiderte Kendra mutlos, »keine Katzen und Hunde, Miss Bender.«
»Mrs. Osborne, ich weiß, dass Sie Ihr Bestes getan haben.«
»Sie wissen gar nichts. Wie könnten Sie auch? Sie wissen nichts. Was Sie sehen ...«
»Bitte. Tun Sie sich das nicht an, und mir auch nicht. Dieses Mal geht es nicht um einen vereitelten Straßenraub. Das hier war ein vorsätzlicher tätlicher Angriff. Noch haben sie sie nicht, aber es wird nicht lange dauern. Sobald sie sie schnappen, kommt sie in Untersuchungshaft. Für eine Geschichte wie diese, die auf versuchten Mord hinausläuft, bekommt eine Jugendliche keine gemeinnützige Arbeit aufgebrummt, und sie darf auch nicht nach Hause, um den Gerichtstermin abzuwarten. Ich sage das alles nicht, weil ich grausam klingen will. Aber Sie müssen sich mit den Tatsachen ihrer Situation vertraut machen.«
Kendras Stimme klang matt: »Wohin bringen sie sie?«
»Wie gesagt, es gibt Untersuchungsgefängnisse für jugendliche Straftäter. Man wird sie nicht mit Erwachsenen zusammensperren.«
»Aber Sie müssen doch berücksichtigen - und die Polizei genauso -, dass es einen Grund gab. Dieser Junge hat sie überfal- len. Er hat ihr an dem Abend neulich aufgelauert. Er und seine Freunde. Sie wollte es mir nicht sagen, aber er war es. Ich weiß es. Er hatte es von Anfang an auf alle drei Kinder abgesehen. Und dann ist da die Sache, die ihr früher passiert ist. Im Haus ihrer Großmutter. Es gibt Gründe.«
Joel hatte seine Tante nie zuvor so verzweifelt erlebt. Tränen schössen ihm in die Augen. Er drückte das Kinn auf die Knie, damit es aufhörte zu beben.
Dann klingelte es an der Tür. Fabia und Kendra fuhren herum. Kendra zögerte nur einen Moment, um sich für die nächste Katastrophe zu wappnen, ehe sie zur Tür ging und öffnete.
Drei Leute standen auf der obersten Stufe zusammengedrängt, während Castor und Pollux immer noch reglos auf der Erde lagen wie zwei steinerne Zeugen der tragischen Ereignisse am Edenham Way. Zwei der Ankömmlinge waren uniformierte Constables, eine schwarze Frau und ein weißer Mann. Und in ihrer Mitte: Ness, ohne Mantel, zitternd, der Pullover blutbesudelt.
»Ness!«, rief Kendra, und Joel rannte die Treppe hinab und in die Küche. Sobald er die Polizeibeamten entdeckte, blieb er wie angewurzelt stehen.
»Mrs. Osborne?«, fragte der eine.
»Ja. Ja«, antwortete Kendra.
Für einen Moment war die Szene wie erstarrt. Fabia Bender immer noch am Küchentisch, doch halb erhoben. Kendra mit beiden Händen ausgestreckt, um Ness in die Arme zu schließen. Die Beamten schauten sich um. Joel hatte Angst, sich zu regen, weil er fürchtete, dann in sein Zimmer zurückgeschickt zu werden. Ness' Gesicht war eine abweisende Maske. Ihre Botschaft war unmissverständlich: Nicht näher treten. Nicht berühren.
Die Polizistin durchbrach das allgemeine Zögern. Sie legte Ness eine Hand auf den Rücken. Ness fuhr zusammen. Die Beamtin reagierte darauf nicht, verstärkte lediglich den Druck, bis Ness ins Haus trat. Die Polizisten folgten ihr. Alle drei hoben den Fuß im selben Moment, als hätten sie die Szene einstudiert.
»Diese junge Dame hatte ein bisschen Ärger mit einem Kerl am Queensway«, erklärte die Beamtin. Sie stellte sich als Police Constable Cassandra Anyworth vor und ihren Partner als Police Constable Michael King. »Großer, schwarzer Kerl. Ein richtiger Muskelprotz. Er wollte sie in ein Auto zerren. Aber sie hat sich tapfer gewehrt. Sie hat ihn sogar erwischt, das muss man ihr lassen. Nur deshalb steht sie jetzt hier. Das Blut ist nicht ihrs, keine Bange.«
Diese Polizeibeamten hatten ganz offensichtlich keine Ahnung, was zuvor in Meanwhile Gardens zwischen Ness und Neal Wyatt vorgefallen war. Sie gehörten nicht zur hiesigen Wache. Dass sie Ness bei einer Auseinandersetzung mit
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