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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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musste.
    »Auch wenn du dafür alles aufgeben musst, wofür du geschuftet hast?«, fragte Cordie, als sie sich das nächste Mal trafen. »Die Massagen? Den Wellness-Tempel, den du eines Tages eröffnen willst? Das willste alles sausen lassen?«
    »Hast du nicht auch genau das getan?«, konterte Kendra. »Hast du nicht Gerald nach- und dabei deine Träume aufgegeben?«
    »Was? Weil er noch 'n Kind will und ich ihm eins geb? Wieso geb ich damit meine Träume auf? Und welche Träume denn eigentlich? Herrgott noch mal, Ken, ich hab den Leuten die Nägel lackiert.«
    »Du wolltest in den Wellness-Tempel einsteigen.«
    »Ja, stimmt. Aber letztlich ist es doch so: Ich hab mich für Gerald entschieden, weil ich eine Wahl treffen musste. Ich würd mich immer für Gerald entscheiden. Wenn es was wird mit dem Wellness-Tempel und das dann gerade in meine Pläne passt, steig ich ein. Und wenn es nich' passt, wähl ich Gerald.«
    »Was ist mit den anderen?«
    »Welche andern?«
    »Die Männer, die du anmachst. Du weißt schon, was ich meine.«
    Cordie betrachtete sie verständnislos. »Du irrst dich«, antwortete sie. »Ich mach keine Männer an.«
    »Cordie, du knutschst mit neunzehnjährigen Jungs rum ...«
    »Ich weiß, was ich hier habe«, erklärte Cordie entschieden und verschloss wie so oft die Augen vor ihren eigenen Schwächen. »Und ich wähle Gerald. Du solltest dir lieber angucken, was du hast, und eine Wahl treffen, mit der du leben kannst.«
    Das war genau der Kern der Sache: Eine Wahl treffen undhinterher damit leben. Kendra wollte weder das eine noch das andere.
    Sie suchte sich Hilfe.
    »Wir müssen Anzeige erstatten«, war Fabia Benders Reaktion, als Kendra ihr von den Ereignissen berichtete. Sie hatten sich in der Lisboa Patisserie an der Golbourne Road verabredet. Castor und Pollux warteten geduldig vor der Tür, während ihr Frauchen sich einen Café au lait und ein Krabbensandwich gönnte, das sie aus ihrem Aktenkoffer hervorgeholt hatte. Fabia legte das Sandwich auf eine Papierserviette und förderte ihr Notizbuch zutage, in dem sie alles von ihrem Terminkalender bis hin zu den Rabattmarken des Supermarkts verwahrte. Sie fing an, darin zu blättern.
    »Anzeige erstatten gegen wen?«, fragte Kendra. »George ist weg. Und was seine Freunde betrifft: Ness kennt ihre Namen nicht, und meine Mutter wahrscheinlich ebenso wenig. Und was hätten wir gewonnen? Sie würde sowieso nicht mit der Polizei über diese Sache reden. Sie spricht ja kaum mit mir.«
    Fabia wirkte konzentriert. »Das erklärt allerhand. Zum Beispiel, warum Vanessa nicht mit Ruma reden will. Oder einer psychiatrischen Untersuchung zustimmt. Oder in irgendeiner anderen Weise mit uns kooperiert. Die meisten missbrauchten Mädchen fühlen sich zutiefst beschämt. Sie glauben, sie haben irgendetwas gesagt oder getan, um den oder die Täter anzuspornen. Das ist genau die Denkweise, zu der die Täter ihre Opfer konditionieren. Und in Ness' Fall war niemand da, um ihr etwas anderes beizubringen. Die Mutter krank, der Vater tot, die Großmutter mit anderen Dingen beschäftigt. Am Beginn ihrer Pubertät war niemand da, um ihr zu erklären, welche Rechte sie hat, ihren Körper zu schützen«, dachte Fabia laut und blickte dabei aus dem Fenster, wo ein leichter Regen fiel. Als sie ihren Blick wieder auf Kendra richtete, las sie deren Gesichtsausdruck. »Es ist nicht Ihre Schuld, Mrs. Osborne. Sie haben ja nicht dort gewohnt. Ihre Mutter schon. Wenn man jemandem Vorwürfe machen will ...«
    »Was spielt das für eine Rolle?«, fragte Kendra. »Ich fühle, was ich fühle.«
    Fabia nickte. »Nun, auf jeden Fall muss Ruma davon erfahren. Und ...« Sie zögerte. Sie wusste, Kendra meinte es gut. Aber die Versuche der Tante, den Kindern die Mutter zu ersetzen, waren so unbeschreiblich unzureichend gewesen, dass die Chance, dass Kendra in die Psyche ihrer Nichte vordringen und die Wogen würde glätten können, gleich null waren. Doch es gab andere Anlaufstellen. »Ich werde mit Majidah Ghafoor reden. Sie hat einen guten Draht zu Ness. Ein Feld, das man pflügen, wenn vielleicht auch noch nicht einsäen kann. Lassen Sie mich sehen, was ich tun kann.«
    Mit den neu gewonnenen Erkenntnissen schlug Ruma eine Marschrichtung vor, die Fabia niemals erwartet hätte. Selbsthilfegruppen seien schön und gut, sagte sie. Und eine psychiatrische Untersuchung könnte ihnen Informationen über die chemischen Vorgänge in Ness' Gehirn liefern, die Aufschluss über eine mögliche

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