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Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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fragte: »Hast du dir irgendetwas eingefangen? Du fühlst dich ein bisschen heiß an. Du hättest mich besser angerufen.«
    »Ich dachte, is' nich' so schlimm, wenn Tobe ausnahmsweise mal nich' zum Lernzentrum ...«
    »Nicht wegen Toby, sondern deinetwegen. Wenn du krank bist und mich brauchst...« Sie strich ihm übers Haar. »Wir machen im Moment eine schwierige Zeit durch, Schatz. Aber eines musst du wissen: Du bist nicht auf dich allein gestellt.«
    Das war das Schlimmste, was sie hätte sagen können. Die Güte in ihrer Stimme trieb Joel Tränen in die Augen. Er kniff sie zu, doch die Tränen liefen und liefen.
    »Ich mach dir etwas, was deinen Magen in Ordnung bringt. Warum gehst du nicht runter ins Wohnzimmer und wartest auf dem Sofa? Leg dich hin, und ich mach dir ein Tablett fertig. Du kannst fernsehen, während du isst. Wie hört sich das an?«
    Joel hielt die Augen geschlossen. Ihr Tonfall machte ihm schwer zu schaffen. Mit dieser Stimme hatte sie noch nie zu ihm gesprochen. Tränen liefen über seinen Nasenrücken und sickerten ins Kopfkissen. Er hatte Mühe, ein Schluchzen zu unterdrücken. Er konnte nicht antworten.
    »Komm, wenn du so weit bist«, sagte Kendra. »Toby hat ein Video eingelegt, aber ich sag ihm, er soll dich sehen lassen, was du willst.«
    Der Gedanke an Toby und daran, was der kleine Junge Kendra erzählen mochte, wenn sie ihn befragte, brachte Joel schließlich auf die Beine. Das war auch gut so, denn als er ins Wohnzimmer kam, hörte er, wie Toby ihrer Tante munter etwas von seinem Nachmittag im Lernzentrum vorlog, genau wie Joel es ihm aufgetragen hatte, da er ja nichts von Luce Chinakas Anruf wusste.
    »... heute gelesen«, berichtete Toby. »Ich weiß nur nicht mehr, welches Buch.«
    Joel sagte: »Das war doch nich' heute, Mann. Wovon redestdu denn?« Er setzte sich zu Toby aufs Sofa, Kopfkissen in der Hand, und die Bettdecke schleifte hinter ihm her. »Heute sind wir gleich nach der Schule nach Hause gekomm', weil's mir nich' gut ging, weißte wieder?«
    Toby sah ihn verwirrt an. »Aber ich hab gedacht ...«
    »Ja, ja. Aber das haste mir alles doch schon gestern erzählt.«
    »Hast du«, verbesserte Kendra geduldig. Und dann - es schien Joel wie ein Wunder - ließ sie das ganze Thema fallen und sagte: »Toby, rück beiseite, damit Joel sich hinlegen kann. Lass ihn fernsehen. Du kannst mir in der Küche helfen, wenn du willst.«
    Toby rutschte ans Ende des Sofas, aber sein Ausdruck blieb verwirrt. »Aber Joel, du has' doch gesagt ...«
    »Du schmeißt mal wieder die Tage durcheinander«, unterbrach Joel. »Ich hab dir heut Nachmittag gesagt, wir geh'n nich' zum Lernzentrum. Wie kann's sein, dass du das nich' mehr weißt, Tobe? Ha'm die da kein Gedächtnistraining oder so was mit dir gemacht?«
    »Haben sie«, kam die automatische Verbesserung von Kendra. »Joel, sei nicht so streng mit ihm.« Sie ging zum Fernseher und holte die Kassette aus dem alten Videorekorder. Sie stellte wahllos irgendeinen Kanal ein, und als das Bild aufflackerte, verschwand sie mit einem Nicken in die Küche. Im Handumdrehen hörten sie sie dort hantieren und das versprochene Essen für Joel zubereiten.
    Toby hatte den Blick nicht von Joels Gesicht abgewandt, und seine Miene zeigte, wie durcheinander er war. »Du has' doch gesagt, ich soll sagen ...«
    »Tut mir leid, Tobe«, murmelte Joel. Er selbst wandte den Blick zur Wohnzimmertür und hielt ihn dort. »Sie hat's rausgekriegt, verstehste. Die vom Lernzentrum haben angerufen und gefragt, wo du bleibst, darum musste ich ihr sagen ... Pass auf: Sag einfach, wir sind direkt nach der Schule hierhergekommen und war'n die ganze Zeit zu Hause. Wenn sie noch mal fragt oder so. Okay?«
    »Aber du has' doch gesagt...«
    »Tobe!« Joels Flüstern war ein wütendes Zischen. »Manchmal ändern sich die Dinge, okay? Das passiert andauernd. Zum Beispiel dass Ness nich' mehr da is' und Dix auch nich'. Verstehste? Dinge ändern sich.«
    Aber für Toby änderten die Dinge sich nicht so einfach, nicht ohne dass er wenigstens versuchte, den Nebel aus seinem Gehirn zu vertreiben. Er begann wieder: »Aber ...«
    Joel packte sein Handgelenk und wandte sich ihm zu. »Sei nicht so verdammt blöd!«, zischte er. »Tu nur dieses eine Mal so, als hätt'ste 'n Hirn.«
    Toby zuckte zurück. Joel ließ sein Handgelenk los. Tobys Kinn fing an zu beben, und seine Lider senkten sich. Hauchfeine blaue Adern waren auf ihrer sommersprossigen, mandel- farbenen Haut zu erkennen. Joel spürte

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