Am Ende war die Tat
einen Stich im Herzen, als er das sah, doch er verhärtete sich dagegen wie gegen alles andere. Toby musste es endlich kapieren. Es war von größter Wichtigkeit, dass er in der Lage war, sich eine Geschichte zu merken. Und zwar ohne Fehler.
»Joel!«, rief Kendra aus der Küche herauf. »Ich habe Essen vom Chinesen mitgebracht, aber ich mache dir gekochte Eier und Toast. Willst du Marmelade?«
Joel wusste nicht, wie er irgendetwas hinunterbringen sollte, aber er antwortete matt, Marmelade sei prima, ja, Marmelade sei in Ordnung, die Sorte sei egal. Dann blickte er zum Fernseher. Kendra hatte die Abendnachrichten eingestellt, und der Bildschirm zeigte eine Reporterin, die vor dem Eingang irgendeines Krankenhauses in ein Mikrofon sprach. »... Überwachungsvideos aus der Gegend um Sloane Square. Die Polizei in Belgravia wertet sie aus und scheut keine Mühen, um den Täter zu fassen. Es gibt offenbar mindestens einen Zeugen für das Verbrechen, das sich am helllichten Tage in Eaton Terrace ereignete. Wir haben in Erfahrung bringen können, dass das Opfer gerade von einem Einkaufsbummel zurückgekommen war. Mehr Informationen über den Hergang haben wir noch nicht. Nach unseren Erkenntnissen steht das Opfer - die vierunddrei-ßigjährige Helen Lynley, Countess of Asherton - rund um die Uhr unter Bewachung hier im St. Thomas Hospital. Über ihren Zustand können wir zur Stunde nicht mehr sagen.«
Eine Männerstimme fragte: »Andrea, hat irgendwer Vermutungen angestellt, es könne einen Zusammenhang zwischen dieser Tat und der Mordserie geben, die gerade untersucht wird?«
Die Reporterin fasste an ihren Ohrstöpsel und antwortete dann: »Man kann kaum umhin, hier eine Verbindung zu vermuten. Wenn die Frau eines Polizisten, der eine Ermittlung von dieser Tragweite und Größenordnung leitet, angeschossen wird ... Es ist wohl unvermeidlich, dass solche Fragen aufkommen.«
Hinter ihr öffnete sich das Krankenhausportal. Blitzlichter flammten auf. Ein Mann im Arztkittel trat vor einen Strauß aus Mikrofonen, während eine Schar weiterer Leute, die wie Zivilpolizisten aussahen, sich mit grimmigen Mienen durch die Journalisten drängten, um zu ihren Autos zu gelangen.
»... künstlich beatmet...«, waren die einzigen beiden Worte des Arztes, die bei Joel ankamen. Und dann: »Ihr Zustand ist sehr kritisch.«
Es folgte noch mehr, Fragen prasselten auf den Doktor nieder, und er antwortete zögernd, offenbar bemüht, die Privatsphäre der Patientin und die ihrer Familie zu schützen, aber Joel hörte nichts davon. Er hörte nur ein Rauschen wie von einem Sturmwind, während das Fernsehbild sich änderte und eine Montage von nur zu vertrauten Bildern zeigte: die Straße, wo er und Cal ihrem Opfer aufgelauert hatten. Die schachbrettgemusterte Eingangsstufe zum Haus, wo die Polizei ein Absperrband an das Eisengitter geknotet hatte. Ein Foto von der Dame mit ihrem Namen darunter, Helen Lynley. Dann folgten neue Bilder vom St. Thomas Hospital am Südufer der Themse und von dem Dutzend Streifenwagen mit blinkenden Warnlichtern davor. Ein blonder Mann und eine mollige Frau mit einem Handy vor einer finsteren Eisenbahnunterführung. Ein Typ in der Uniform eines hohen Polizeibeamten, der in eine ganze Batterie von Mikrofonen sprach. Und dann eine Reihevon Überwachungskameras, die hierhin und dorthin ausgerichtet waren, an diesem Haus und unter jenem Giebel befestigt, und jede einzelne davon - das wusste Joel und hätte jeden Eid darauf geschworen - hatte Bilder von zwei Typen aufgenommen, die auf dem Weg waren, die Frau eines Scotland-Yard- Cops zu erschießen.
Joels Tante kam die Treppe herauf. Sie brachte ein Tablett mit gekochten Eiern und Toast, denen ein Aroma entströmte, das tröstlich hätte sein sollen; nicht für Joel. Er sprang vom Sofa auf und rannte Richtung Treppe und Bad. Er schaffte es nicht.
Cal war verschwunden. Am nächsten Tag und tags darauf suchte Joel ihn an all den üblichen Orten, wo er normalerweise anzutreffen war: auf dem abgesenkten Fußballplatz, wo ein unvollendetes Graffito in Cals Stil darauf hindeutete, dass er Hals über Kopf untergetaucht war; Meanwhile Gardens, an der Wendeltreppe, unter der Brücke und in den Hügeln, wo Cal manchmal einen Joint rauchte oder den Jugendlichen der Gegend Dope verkaufte; die heruntergekommene Wohnung am Lancefield Court, wo die Drogenkuriere ihre Ware entgegennahmen; das Haus an der Portnall Road, wo Arissa wohnte. Joel streifte sogar über den
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