Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ende war die Tat

Am Ende war die Tat

Titel: Am Ende war die Tat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
zerrte sie von der Mauer weg die Gasse hinunter. In der Totenstille ergötzte Ness sich an ihrem Triumph, indem sie zu den Hehlern und Fahrradkurieren hinüberrief: »Ihr meint, der Typ is' 'ne große Nummer? Der is' 'ne Null. Ein Wurm. Habt ihr Angst vor dem? Vor einem Wurm?«
    Dann bogen sie auf die Bravington Road ein, und Cal zischte ihr ins Ohr: »Du bis' echt so 'ne dämliche Schlampe! Blöde, sture Schlampe - du kanns' einem fast leidtun. Weißte eigentlich, mit wem du dich hier einlässt? Weißte nich', was der mit dir macht, wenn ihm danach is'? Jetz' hau bloß ab hier! Und lauf ihm besser nich' mehr übern Weg!« Er versetzte ihr einen kräftigen Stoß, um sie zu ermutigen, schleunigst zu verschwinden. Ness hatte vollbracht, wozu sie hergekommen war. Sie erhob keine Einwände und wehrte sich auch nicht. Sie lachte. Sie war fertig mit The Blade. Sie fühlte sich federleicht. Sollte er doch mit Arissa und all seinen anderen Nutten glücklich werden! Aber worauf er verzichten musste, jetzt und für alle Zukunft, war Vanessa Campbell.
    Für sein Streben nach dem perfekten Körper - und dessen ultimativer Bestätigung durch den Titel »Mr. Universe« - benötigte Dix D'Court finanzielle Unterstützung, darum hatte er sich Sponsoren gesucht. Ohne sie wäre er dazu verdammt gewesen, sein Training in knapp bemessene Zeitfenster vor oder nach der Arbeit zu zwängen oder am Wochenende zu absolvieren, wenn das Fitnessstudio überfüllt war - und hätte so nur geringe Chancen gehabt, seinen Traum vom bestgeformten männlichen Körper der Welt zu verwirklichen. Hin und wieder musste er sich mit seinen Geldgebern treffen, um sie auf den neuesten Stand zu bringen und sie über gewonnene
    Wettkämpfe zu informieren. Unwissentlich hatte er eines dieser Treffen ausgerechnet für Tobys Geburtstagsabend angesetzt. Als er davon erfuhr, wollte er den Termin absagen. Aber das zuzulassen, hätte für Kendra einen weiteren Schritt in die Art von Beziehung bedeutet, die sie scheute, und darum erklärte sie ihm, der Geburtstag sei ohnehin eine Privatangelegenheit, die im engsten Familienkreis begangen werden solle. Dix sollte ruhig wissen, dass er zu diesem engsten Familienkreis nicht gehörte.
    Er warf ihr einen kurzen Blick zu, der sagte: Ganz wie du willst. Joel vertraute er indessen an, dass er sofort nach seinem Sponsorenmeeting vorbeikommen werde.
    Joel schloss messerscharf, dass er Kendra nichts von Dix' geplantem Besuch am Geburtstagsabend verraten dürfe. Er wunderte sich ein wenig - wie über so vieles in der Beziehung zwischen Dix und seiner Tante, dachte aber nicht weiter darüber nach, weil er ganz andere Sorgen hatte. Zum Beispiel hatte er kein »Happy Birthday«-Schild, das man ins Fenster hängen konnte. Schlimm genug, dass sie das alte Blechkarussell nicht mehr besaßen, das in ihrer Familie traditionell an jedem Geburtstag auf dem Tisch gestanden hatte. Aber auf das grellbunte Schild zu verzichten, erschien Joel noch viel schlimmer. Sogar Glory Campbell hatte es Jahr für Jahr aus irgendeinem Versteck hervorgezaubert, jedes Mal ein bisschen schäbiger als zuvor. Doch das Schild mit den Metallösen, die es erlaubten, es mit fröhlicher Unbekümmertheit an jedem gewünschten Platz in jeder nur denkbaren Ausrichtung aufzuhängen, hatte das gleiche Schicksal erfahren wie Glorys übrige Habseligkeiten, die nicht mit nach Jamaika sollten: Sie hatte es ohne Joels Wissen in den Müll geworfen, und erst als er seine persönlichen Dinge durchforstet hatte, war ihm klar geworden, dass das Schild nicht mehr in Familienbesitz war.
    Er hatte nicht genug Geld, um ein neues zu kaufen, also musste er eines basteln: Er nahm einen Schreibblock, riss für jeden Buchstaben ein Blatt ab und malte sie dann mit einem Filzschreiber, den er sich in der Schule von Mr. Eastbourne geliehen hatte, rot aus. Am Morgen von Tobys Geburtstag wollte er sie ans Fenster hängen, doch außer einem Briefmarkenheftchen konnte er nichts finden, was als Klebstreifen hätte dienen können.
    Er hätte Tesafilm vorgezogen, aber nicht einmal dafür hatte er das nötige Geld. Also nahm er die Briefmarken, die man sicherlich später trotzdem noch auf Umschläge kleben konnte, wenn er nur vorsichtig genug war und sie so ans Fenster klebte, dass man sie leicht wieder ablösen konnte. Als Tante Kendra an dem fraglichen Abend nach Hause kam und die gebastelten Buchstaben und deren Aufhängung entdeckte, rief sie: »Was zum Teufel ...«, stellte ihre Einkaufstüten auf

Weitere Kostenlose Bücher