Am Ende zählt nur das Leben
auf. Meinem Mann ging es dabei ausschließlich um seine Zukunft als Vater.
»Wie ist es denn so mit einem Kind?«, wollte er von Anja wissen. »Muss man da nicht viele Anschaffungen machen? Ein größeres Auto? Eine größere Wohnung? Das kostet doch sicher eine Menge Geld. Das ganze Leben ändert sich, nicht wahr?«
»Man muss sich umstellen, aber es ist nicht so, dass man auf einen anderen Stern übersiedelt. In gewisser Weise lebt man trotzdem sein Leben weiter. Keine Angst, Cay!«, sagte Anja, und ich hörte ihren verwunderten Unterton. Auf sie musste es befremdlich wirken, wenn mein Mann solche Fragen stellte. Als wäre ein Kind nicht das Natürlichste der Welt. Was ihr und all meinen anderen Verwandten ganz selbstverständlich erschien, war für Cay fremdartig und irritierend. Vielleicht bekam er es nun doch mit der Angst zu tun?, überlegte ich.
Zum Weihnachtsfest war ich hochschwanger und wurde daheim von meiner Familie verwöhnt. Mir kam es beinahe so vor, als bliebe ich selbst als werdende Mutter noch immer das Nesthäkchen der Familie. Meine Eltern freuten sich unbändig auf ihr viertes Enkelkind.
Ende Januar kam unsere Tochter Sarah zur Welt.
Als das kleine, süße Wesen zum ersten Mal neben mir lag, konnte ich nicht begreifen, dass es mein eigenes Kind war. Ich war überwältigt von den Anstrengungen und Schmerzen der Geburt, und mein Verstand war kaum in der Lage, dieses Wunder zu begreifen. Sarah …
Und dann kam das Glück! Es überwältigte mich und auch Cay.
Er war der stolzeste Vater, den man sich vorstellen konnte. Außer sich vor Freude, wollte er alle Welt an seinem Glück teilhaben lassen. Als ich das Krankenhaus verlassen durfte, verbrachten wir die ersten Tage zu dritt in unserer Wohnung und wollten niemand anderen sehen. Wir lagen gemeinsam im Bett und genossen jede Sekunde. Wir waren Eltern einer Tochter geworden!
Wenn unsere Kleine schlief, dann beobachteten wir sie und sprachen über jede ihrer Regungen. Jedes Bad und jedes Trinken unserer Kleinen glich einem kleinen Fest. Es hätte nicht schöner sein können.
Cay gab mir schnell zu verstehen, dass er sich liebend gern um unsere Sarah kümmerte, was jedoch unangenehme Aufgaben wie das Windelnwechseln ausschloss. Das war nichts für ihn, aber ich übernahm es gern. Nachts musste ich häufig aufstehen, wenn Sarah weinte und mich brauchte. Diese Störungen machten Cay zunächst nichts aus, aber dann bekam er eine Erkältung und wurde ungeduldig und fast mürrisch. Er wollte sich möglichst schnell erholen, was bei dem ständigen Schlafmangel unmöglich war. Schließlich müsse er fit bei der Arbeit erscheinen. Immer häufiger nahm er sein Bettzeug und legte sich zum Schlafen auf das Sofa im Wohnzimmer.
Wenn ich Cay mit unserer Tochter im Büro besuchte, nahm er Sarah aus dem Kinderwagen und zeigte sie überall herum.
»Schaut her! Das ist meine Sarah«, pflegte er zu sagen.
Wenn sie jedoch schrie, weil sie Hunger hatte oder ihre Windel voll war, dann rührte er sich nicht, sondern schaute zu mir herüber. Geh du, sollte mir sein Blick sagen, und ich beschwerte mich nur selten darüber.
»Väter tun das nicht«,sagte er manchmal. Er verdiente das Geld, ich war die Frau, ich musste mich kümmern. So sah er das, und so ließ er es regelmäßig verlauten.
Aber das machte mir nichts aus. Mein Engelchen bekam meine gesamte Aufmerksamkeit. Ich wäre nicht auf die Idee gekommen, mit ihm darüber zu streiten. Mein Kind machte mich glücklich, und Cay war offensichtlich ein Mann mit klaren Prinzipien. Eines davon lautete: Kleinkindversorgung ist Frauensache.
Taufe
Sarah war vier Monate alt, als wir sie taufen lassen wollten. Wir entschieden, die Zeremonie in unserer norddeutschen Heimat abzuhalten. Und weil ich vorab mit dem Pastor sprechen musste, fuhren wir einige Tage vorher hoch.
Für meinen Besuch im Pastorat war es unumgänglich, dass ich allein, ohne Sarah, erschien. Zum ersten Mal seit der Geburt musste ich mich für ein paar Stunden von meinem Engelchen trennen. Sarah blieb bei meinen Schwiegereltern, weil Cay der Meinung war, es sei gut für die Großeltern und für das Kind, sich früh aneinander zu gewöhnen. Außerdem könne ich nicht ununterbrochen mit Sarah zusammen sein. Irgendwann musste der Zeitpunkt für eine erste Trennung kommen.
Es fiel mir schwer, sie abzugeben, aber er hatte sicher recht. Mit einem unruhigen Gefühl verabschiedete ich mich, um mit dem Pastor zu sprechen.
Ich erzählte ihm, dass wir zwar in
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