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Am ersten Tag - Roman

Am ersten Tag - Roman

Titel: Am ersten Tag - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Levy
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nicht, was daran so witzig war.
    »Ihr habt den armen Kerl zusammengeschlagen, weil er für ein paar Stunden meine Kette untersuchen wollte? Ihr habt einen Sicherheitsbeamten überwältigt und gefesselt und euch wie Diebe aus dem Staub gemacht, weil ihr meintet, in eine Verschwörung geraten zu sein?«
    Ich glaube, Keira lachte auch auf Walters Kosten, das tröstete mich zwar nicht wirklich, aber immerhin.
    »Dann könntest du ja auch gleich behaupten, der Tod des Mursi-Dorfältesten wäre kein Unfall gewesen.«
    Ich antwortete nicht.
    »Das ist doch Unsinn. Woher hätte irgendjemand wissen sollen, wo wir waren?«
    »Ich habe keine Ahnung. Ich will nicht übertreiben, aber ich denke, wir sollten etwas vorsichtiger sein.«
    Der Kurator des Museums sah uns aus der Ferne und kam im Laufschritt herbeigeeilt. Wir luden ihn ein, sich zu setzen.
    »Ich habe von dem schrecklichen Missgeschick gehört, das Ihnen heute Nacht widerfahren ist. Es ist furchtbar, aber die Drogen zerstören Deutschland. Um sich eine Dosis Heroin besorgen zu können, sind die Jugendlichen zu allen möglichen
Verbrechen bereit. Wie überall, wo sich Touristen aufhalten, kommt es vor, dass Menschen die Tasche weggerissen oder dass in einem Hotelzimmer eingebrochen wird, aber doch nicht solche Gewalttätigkeit.«
    »Vielleicht war es ein Alter, der seine Dosis brauchte, die Alten sind boshafter«, antwortete Keira barsch.
    Unter dem Tisch versetzte ich ihr einen diskreten Stoß mit dem Knie.
    »Warum gibt man immer der Jugend die Schuld?«, fuhr sie fort.
    »Weil alte Menschen nicht so leicht aus einem Hotelfenster im ersten Stock springen«, gab der Kurator zurück.
    »Ihr Sprint gerade eben war nicht zu verachten, dabei sind Sie nicht mehr der Jüngste«, beharrte Keira eigensinniger denn je.
    »Ich denke nicht, dass der Herr Museumsdirektor gestern Abend in unser Zimmer eingebrochen ist«, rief ich lachend, um die Situation zu entspannen.
    »Das wollte ich damit auch nicht sagen«, erklärte Keira.
    »Ich glaube, jetzt habe ich den Faden verloren«, fiel der Kurator ein. »Denn trotz all dieser Sorgen habe ich zwei gute Neuigkeiten. Zum einen ist der Portier außer Lebensgefahr. Und zum anderen habe ich den Codex der Nationalbibliothek wiedergefunden. Die Sache ging mir nicht aus dem Kopf, und so habe ich einen guten Teil der Nacht Schachteln und Kartons durchforstet, bis mir schließlich mein altes Notizbuch in die Hand gefallen ist. Dort sind alle Dokumente aufgelistet, die ich damals konsultiert habe. Wenn Sie in der Bibliothek sind, bestellen Sie folgende Signatur«, sagte er und reichte uns einen Zettel. »Solche Werke sind zu alt und zu empfindlich, um öffentlich zugänglich zu sein, doch bei Ihrer beruflichen Qualifikation verhält sich die Sache natürlich anders. Ich habe
mir erlaubt, meine Kollegin, die Konservatorin der Frankfurter Nationalbibliothek, zu informieren. Sie werden dort gut empfangen.«
    Wir bedankten uns herzlich für all seine Mühe und verließen Nebra. Keira war die Fahrt über schweigsam. Und ich dachte an Walter und hoffte, dass er auf meine E-Mail antworten würde. Am Nachmittag erreichten wir die Nationalbibliothek in Frankfurt.
     
    Der Bau war neueren Datums und zwei Stockwerke hoch. Die verglaste Rückfront ging auf einen Garten hinaus. Wir stellten uns am Empfang vor, und kurz darauf begrüßte uns eine Dame in einem strengen Kostüm. Sie stellte sich als Helena Weisbeck vor und bat uns, ihr in ihr Büro zu folgen, wo sie uns Kaffee und Kekse anbot. Da wir keine Rast zum Mittagessen gemacht hatten, stürzte sich Keira darauf.
    »Dieser Codex macht mich allmählich neugierig, jahrelang hat sich kein Mensch für ihn interessiert, und heute sind Sie schon die Zweiten, die ihn konsultieren möchten.«
    »War schon jemand anders deshalb bei Ihnen?«
    »Nein, aber ich habe heute Morgen eine E-Mail-Anfrage bekommen. Das Dokument befindet sich nicht mehr hier, sondern im Berliner Archiv. Wir verwahren hier nur neuere Werke. Aber dieser Text ist ebenso wie andere digitalisiert worden, um seinen Bestand zu sichern. Sie hätten auch per E-Mail anfragen können, dann hätte ich Ihnen die Seiten, die Sie interessieren, auf diesem Weg übermittelt.«
    »Darf ich fragen, von wem diese Anfrage stammt?«
    »Von der Verwaltung einer ausländischen Universität, mehr kann ich Ihnen nicht sagen, ich habe nur die Genehmigung unterschrieben. Meine Sekretärin hat sich um die Beantwortung gekümmert, aber sie ist jetzt für heute

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