Am ersten Tag - Roman
noch freien Stuhl in der vierten Reihe und bahnte sich einen Weg dorthin. Der Mann, der als Erster dran war, begann gerade seine bioenergetische Forschungsarbeit zu erläutern. Sein Exposee dauerte die vorgeschriebene Zeit von fünfzehn Minuten und wurde mit Beifall bedacht.
Der zweite Bewerber stellte den Prototyp eines Gerätes vor, das eine kostengünstigere Grundwassersondierung und die Entsalzung von Meerwasser mittels Sonnenenergie ermöglichen sollte. Das Wasser sei, wie er erklärte, das blaue Gold des einundzwanzigsten Jahrhunderts und das höchste Gut des Menschen; in vielen Teilen der Welt hinge sein Überleben davon ab. Der Mangel an Trinkwasser könne die Ursache künftiger Kriege und Völkerwanderungen sein. Zum Schluss war sein Vortrag eher politischer als technischer Natur.
Der dritte Kandidat hielt eine brillante Rede über alternative Energien, etwas zu brillant für den Geschmack der Jurypräsidentin, die während des Vortrags einige Worte mit ihrem Nachbarn wechselte.
»Bald sind wir dran«, sagte Walter, »Sie werden umwerfend sein.«
»Wir haben nicht die geringste Chance.«
»Wenn Sie die Jurymitglieder ebenso beeindrucken wie diese junge Frau, haben wir den Preis schon in der Tasche.«
»Welche junge Frau?«
»Die, die Sie anstarrt, seit sie hereingekommen ist. Dort«, flüsterte Walter und machte eine leichte Kopfbewegung. »In der vierten Reihe links von uns. Aber drehen Sie sich bloß nicht gleich um, so ungeschickt wie Sie sich anstellen!«
Natürlich wandte ich sofort den Kopf, sah jedoch keine junge Frau, die mich beobachtete.
»Sie haben Wahnvorstellungen, mein armer Walter!«
»Sie hat Sie geradezu mit den Augen verschlungen, aber dank Ihrer legendären Diskretion hat sie sich in ihre Schale zurückgezogen wie ein Einsiedlerkrebs.«
Ich riskierte erneut einen Blick in die angegebene Richtung, doch alles, was ich entdeckte, war ein leerer Stuhl in der vierten Reihe.
»Sie scheinen es absichtlich zu machen«, schimpfte Walter. »So, wie Sie sich anstellen, sind Sie wirklich ein hoffnungsloser Fall!«
»Aber Walter, ich fürchte allmählich um Ihren Verstand!«
»Ich wollte Sie nur zerstreuen, Ihren Stress abbauen, verhindern, dass Sie in Panik geraten, und ich finde, das ist mir recht gut gelungen. So, und nun geben Sie Ihr Bestes, mehr verlange ich nicht.«
Ich nahm meine Notizen und erhob mich. Walter beugte sich zu mir:
»Was die junge Frau angeht, so habe ich nichts erfunden. Viel Glück, mein Lieber«, flüsterte er und klopfte mir ermunternd auf die Schulter.
Dieser Augenblick wird mir als einer der schlimmsten meines Lebens in Erinnerung bleiben. Das Mikrofon verweigerte den Dienst. Ein Techniker kam auf das Podium und versuchte vergebens, es zu reparieren. Man würde ein anderes bringen, aber
zunächst musste man den Schlüssel zum Lager finden. Da ich das Ganze so schnell wie möglich hinter mich bringen wollte, beschloss ich, meinen Vortrag ohne dieses Hilfsmittel zu halten. Die Jurymitglieder saßen in der ersten Reihe, und meine Stimme war kräftig genug, um bis zu ihnen und auch noch weiter zu dringen. Walter, der meine Ungeduld bemerkte, bedeutete mir mit Handzeichen, dies sei keine gute Idee, doch ich übersah seine eindringlichen Gesten und legte los.
Mein Exposee begann zunächst etwas mühsam. Ich versuchte, den Zuhörern zu erklären, dass die Zukunft der Menschheit nicht nur von dem Wissen abhinge, das wir über unseren Planeten und die Meere hätten, sondern auch von unseren Kenntnissen vom Universum. So wie die ersten Seefahrer, die unter der Prämisse, die Erde sei eine Scheibe, zur Weltumseglung aufbrachen, müssten wir uns an die Erforschung der Galaxien machen. Wie sollten wir uns unserer Zukunft stellen, ohne eine Vorstellung davon zu haben, wie alles angefangen hat? Zwei Fragen konfrontierten den Menschen mit den Grenzen seines Wissens, zwei Fragen, die selbst die größten Gelehrten unter uns nicht beantworten konnten: Was ist das unendlich Kleinste, was ist das unendlich Größte, und was war die Stunde null, der Augenblick, an dem alles begann, gewesen? Wer auch immer sich mit diesen beiden Fragen beschäftige, sei unfähig, irgendeine Hypothese aufzustellen.
Solange unsere Vorfahren glaubten, die Erde sei eine Scheibe, konnten sie sich nicht vorstellen, was hinter der sichtbaren Linie des Horizonts lag. Aus Angst, im Nichts zu verschwinden, wagten sie sich nicht aufs weite Meer hinaus. Doch als der Mensch dann beschloss, sich dem
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