Am Fluss des Schicksals Roman
hinunter. Kurz darauf hörte Lizzie ihn an Deck und ging zu ihm. Er hielt einen Kanister Petroleum in der Hand. Nun nahm er den Deckel ab und kippte den Inhalt übers Deck und in den Kajütengang.
»Was tun Sie da?«, sagte Lizzie und hielt ihn am Arm fest.
»Wonach sieht es denn aus?«, entgegnete Joe gereizt.
Sie begriff, dass er vorhatte, die Marylou ein zweites Mal in Brand zu setzen. »Tun Sie das nicht, Joe! Francesca liebt dieses Schiff!«
Wütend schüttelte Joe sie ab. »Auch ich liebe die Marylou, aber ich werde Silas Hepburn nicht die Genugtuung geben, dass er sie mir wegnimmt.«
»Dann verstecken sie es«, sagte Lizzie. Eine verrückte Idee, aber etwas anderes fiel ihr nicht ein.
Joe schüttelte den Kopf. Er hatte selbst bereits daran gedacht, sie auf einem der Nebenflüsse zu verstecken oder sogar bis zur Mündung ins Meer und anschließend die Küste hinauf zu fahren, aber das war auf Dauer auch keine Lösung.
Das Stampfen einer Dampfmaschine, begleitet vom Geräusch der Schaufelräder, ließ Lizzie und Joe aufhorchen. Sie wandten sich um und sahen die Ophelia, die sich auf dem Campaspe näherte.
»Verdammt«, stieß Joe hervor und ließ den Kanister fallen. »Gehen Sie von Bord, Lizzie!«
Lizzie ahnte, dass er das Feuer entfachen würde, sobald sie an Land war. »Nein, Joe, das lasse ich nicht zu.«
»Runter von meinem Schiff! Sofort!« Er zündete ein Streichholz an und streckte den Arm vor.
Lizzie erkannte, wie verzweifelt er war. »Nein, Joe! Bitte nicht! Bestimmt gibt es eine andere Lösung.«
Von weitem erkannte Francesca ihren Vater und Lizzie an Deck, und sie stürzte an den Bug der Ophelia. Die Körpersprache der beiden schien zu vermitteln, dass Lizzie ihren Vater anflehte. »Dad«, rief sie laut. Er hörte sie nicht, sodass sie lauter schrie.
Dieses Mal horchte Joe auf, weil er meinte, die Stimme seiner Tochter gehört zu haben. Er wandte sich zum Dampfer um, der sich näherte. »Tut mir Leid, mein Mädchen«, flüsterte er.
Im selben Moment schnappte Lizzie sich das Streichholz, rutschte jedoch auf dem Petroleum aus und fiel auf die Planken, das brennende Streichholz in der Hand. Im Nu war die Vorderseite ihres Nachthemds mit Petroleum getränkt, und obwohl es ihr gelang, das Streichholz weit genug wegzuhalten, verbrannte es ihre Finger.
Joes Augen waren vor Entsetzen weit aufgerissen. Er wusste, dass in weniger als einer Sekunde die Flamme das Petroleum erreichen würde und warf sich auf Lizzie, um das Streichholz zu löschen. Vor Angst und Schmerzen schrie sie laut auf, sodass er sich rasch wieder aufrappelte und sie vom Deck aufhob. In dem Glauben, ihr Nachthemd habe Feuer gefangen, sprang er über die Schiffsflanke ins seichte Wasser des Campaspe River, Lizzie in den Armen.
Als die Ophelia neben der Marylou zum Stehen kam, kämpfte Joe sich mit Lizzie durch das schenkelhohe Wasser.
»Was hast du getan, Dad?«, rief Francesca verzweifelt.
»Es ist ... schon gut«, brachte Lizzie mühsam hervor. Sie zitterte, doch sie war am Leben. Nach der Misshandlung durch Silas hatte sie zunächst befürchtet, Joe würde sie ertränken. Erst nachdem er sie an Land getragen und sich nach ihrem Befinden erkundigt hatte, wurde Lizzie klar, dass er sie gerettet hatte. Die Erleichterung in seinem Gesicht und seine behutsame Fürsorge rührten sie tief im Herzen.
Kurze Zeit später sprangen Francesca, Neal und Ned an Land. Joe kauerte neben Lizzie, den Kopf auf den Knien. Erschrocken bemerkte Francesca die Brandwunden an seinen Händen.
»Du bist verletzt«, sagte sie.
»Nicht der Rede wert«, gab er zurück.
Ned und Neal stiegen an Bord der Marylou und machten sich daran, das Öl vom Deck zu waschen, da der kleinste Funken genügte, um es in Brand zu setzen.
»Ich weiß, ich habe dich enttäuscht, mein Mädchen«, sagteJoe, »aber ich bringe es nicht über mich, die Marylou an Silas Hepburn abzutreten. Ich kann es einfach nicht.«
»Oh, Dad.« Francesca umarmte ihren Vater. »Ich kann dich ja verstehen.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
»Ich weiß, du glaubst fest daran, dass alles wieder gut wird, mein Mädchen, aber ich bin nun mal ein Mann, der den Tatsachen ins Auge sieht. Und Tatsache ist, dass Silas mir die Marylou wegnehmen wird. Deine Mutter würde sich im Grab umdrehen, wenn sie das wüsste.«
»Er lässt dir das Schiff, wenn ich ihm mein Jawort gebe.«
Joe war mit einem Satz auf den Beinen. »Du darfst ihn nicht heiraten! Das lasse ich nicht zu! Lieber verliere
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