Am Fluss des Schicksals Roman
bemerkte, wie aufgelöst sie war. Joe deutete ihr Unbehagen als Verlegenheit. Er hingegen hatte nie glücklicher ausgesehen, fand Francesca, was auch für Lizzie galt. Offensichtlich hatte der Urlaub ihnen sehr gut getan.
»Wo steckt Neal?«, fragte Joe.
»Er hat heute Fred Cook ausgeholfen, aber inzwischen dürfte er wieder auf der Bunyip sein. Ich sollte jetzt besser gehen, Dad, aber morgen komme ich wieder.« Das geplante Willkommensmenü hatte sie ganz vergessen.
»Wir freuen uns schon darauf«, erwiderte Joe und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Obwohl er enttäuscht war, dass sie sich nicht später am Abend sehen konnten, hatte er Verständnis dafür, dass es zwei frisch Verheirateten schwer fiel, längere Zeit voneinander getrennt zu sein.
Während Joe und Ned in die Kombüse gingen, stieg Lizzie an Land und eilte Francesca hinterher. Sie hatte denEntschluss gefasst, Francesca über ihr Verhältnis zu Joe aufzuklären, das sich in der kurzen Zeit ihrer Abwesenheit vertieft hatte. Joe hatte mit keinem Wort erwähnt, dass er das Thema zur Sprache bringen würde, und Lizzie hatte das Bedürfnis, als Erste mit Francesca darüber zu sprechen. Sollte Francesca ihre Liaison nicht tolerieren, würde sie sich überlegen, was sie tun würde.
»Francesca«, rief Lizzie außer Atem. »Warten Sie bitte. Ich möchte etwas mit Ihnen bereden«, sagte sie. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, und vor Angst hatte sie einen trockenen Mund.
»Ich kann jetzt nicht, Lizzie«, entgegnete Francesca gereizt. Sie wollte so schnell wie möglich zu Neal. »Ich muss weiter.« Sie setzte ihren Weg eilig fort.
Lizzie war wie vor den Kopf gestoßen und starrte ihr hinterher. Wahrscheinlich ahnte Francesca, was sie ihr hatte mitteilen wollen, und wahrscheinlich behagte es ihr nicht. Lizzie fühlte sich verletzt und zurückgestoßen – Gefühle, die ihr nur allzu vertraut waren. Außerdem kam sie sich töricht vor. Wie konnte sie jemals glauben, ein anderes, besseres Leben führen zu können?
Es wurde bereits dunkel, als Francesca die Bunyip erreichte, und bestürzt stellte sie fest, dass an Bord kein Licht brannte. Das Schiff war verlassen. Sie suchte das Ufer ab und rief dabei nach Neal, konnte ihn aber nirgends aufspüren.
Francesca wartete eine Stunde an Bord. Als Neal nicht erschien, schlug sie wieder den Weg zur Marylou ein. Ihr Vater war überrascht, sie zu sehen, und bemerkte erschrocken, dass sie geweint hatte.
»Was ist los, Frannie?« Er saß gerade zusammen mit Lizzie und Ned bei einer Tasse Tee in der Kombüse.
Lizzie erhob sich. »Entschuldigt mich«, sagte sie. »Ich habe Kopfschmerzen und möchte mich hinlegen.«
Joe war irritiert, weil Lizzie die ganze Zeit nichts von Kopfschmerzen erwähnt hatte. »Alles in Ordnung, Elizabeth?«
»Ja, ich brauche nur ordentlich Schlaf. Bis morgen.«
»Gute Nacht«, sagte Joe und lächelte sie an. Nachdem Lizzie sich zurückgezogen hatte, richtete er seine Aufmerksamkeit auf seine Tochter. »Also, was ist, Francesca?«
»Ich weiß nicht, wo Neal ist«, entgegnete sie.
Joe begriff nicht. »Hattet ihr Streit?«
Francesca ließ den Kopf hängen. »Er hat herausbekommen, dass ich heute auf Derby Downs war, und jetzt ist er furchtbar wütend«, sagte sie.
»Oh«, sagte Joe. Er verstand, weshalb Neal sich aufregte. »Das ist nicht weiter verwunderlich, Francesca. Immerhin hat Monty einen Mordanschlag auf ihn verübt.«
»Ich weiß, Dad, aber erst vor kurzem hat Regina ihren Mann verloren, und nun steht sie wegen Monty Todesängste durch. Ich habe gestern Amos Compton in der Stadt getroffen, und er hat mir gesagt, dass er und Mabel sich große Sorgen um Regina machen. Wenn ich ehrlich sein soll ... es geht mir genauso. Ich habe Angst, sie könnte eine Dummheit begehen und sich womöglich etwas antun.«
»Um Regina brauchst du dir keine Sorgen zu machen, Francesca. Du hast ein mitfühlendes Wesen, was an sich nicht verkehrt ist, aber du musst eine Grenze ziehen, was die Radcliffes betrifft. Neals Wut ist völlig verständlich. Monty hat nicht nur versucht, ihn umzubringen, sondern dir obendrein den Hof gemacht ...«
»Neal hat keinen Grund zu glauben, dass ich für Monty etwas empfinde.«
»Nach allem, was er durchmachen musste, weiß er wahrscheinlich gar nicht, was er mit all dem anfangen soll, Francesca. Wenn nicht nur einer, sondern gleich zwei Leute dir nach dem Leben trachten, kann dich das ganz schön aus der Bahn werfen.«
»Aber meine Gefühle Monty gegenüber sind nicht
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