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Am Fluss des Schicksals Roman

Titel: Am Fluss des Schicksals Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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geradezu.
    Stirnrunzelnd schob Ned seine Hutkrempe ein Stück höher, die mit Angelhaken und den von ihm auf seine spezielle Art vorbereiteten Ködern behängt war, und musterte Francesca. »Das klingt aber nicht überzeugend.«
    »Tut mir Leid, Ned. Es gab da einen ... einen sonderbaren Vorfall, der mir nicht mehr aus dem Sinn geht.«
    »Sonderbar?« Ned war alarmiert. »Was meinst du damit?«
    Francesca blickte ihn an und sagte sich, dass es vielleicht nützlich wäre, die Meinung eines Außenstehenden einzuholen. Eigentlich hatte sie vorgehabt, mit Monty darüber zu sprechen, doch sie befürchtete, dass er ihre Bedenken als Hirngespinste abtat.
    »Haben Montys Eltern dich nicht freundlich behandelt, Frannie?«, fragte Ned mit kaum verhohlener Erregung. Wehe, sie haben ihr etwas angetan, sagte er sich. Dann sei Gott ihnen gnädig!
    Francesca bemerkte seinen fürsorglichen Tonfall. »Sie waren sogar sehr freundlich zu mir, Ned. Regina hat mich herzlich willkommen geheißen, und Frederick war mir gegenüber äußerst höflich und zuvorkommend ...«
    »Was war dann?«
    »Ich war mit Regina oben im Haus, um Kleider anzuprobieren, und dabei hat sie das Muttermal auf meinem Oberschenkel entdeckt. Plötzlich fing sie zu zittern an und musstesich setzen. Dann wollte sie das Mal noch einmal sehen und hat mich nach meinem Geburtsdatum gefragt. Ist das nicht eigenartig?«
    Neds Herz schlug schneller, und er wandte sich ab aus Furcht, Francesca könnte die Panik in seinem Gesicht sehen. Er hatte nie damit gerechnet, dass dieser Tag kommen würde, doch jetzt war es so weit, und er hatte keinen blassen Schimmer, was er tun sollte.
    »Gleich darauf ist sie in ihr Zimmer gerannt und hat sich dort eingeschlossen«, erzählte Francesca weiter. »Ich habe sie bis zu meiner Abfahrt nicht mehr zu Gesicht bekommen.«
    »Hat sie ... irgendetwas gesagt?«, fragte Ned, dem vor Angst beinahe die Stimme versagte.
    »Nein. Als ich in Montys Kutsche steigen wollte, blickte ich zufällig nach oben, und da stand Regina auf dem Balkon. Ich habe ihr zugelächelt, doch sie hat mich nur ganz seltsam angeschaut und sich dann weggedreht. Ich begreife das nicht. Wenn ich nur wüsste, wodurch ich sie so sehr in Aufregung versetzt habe!«
    Ned starrte auf den Fluss hinaus. An seiner Angelschnur ruckte ein Fisch, doch er bemerkte es kaum, weil seine Gedanken sich überschlugen. Was wusste Regina über Francescas Muttermal? Kannte sie vielleicht Frannies leibliche Mutter? Nein, das war undenkbar.
    In jener Nacht, in der sie Francesca aus dem Wasser geborgen hatten, hatten Joe, Mary und Ned einen Pakt geschlossen: Francesca sollte niemals die Wahrheit erfahren, weil sie zu grausam war. Mary hatte es für besser gehalten, Frannie in dem Glauben zu lassen, sie wäre in einer liebevollen Umgebung zur Welt gekommen und dass sie Eltern habe, die sich nichts sehnlicher als ein Baby gewünscht hätten. Ned und Joe hatten sich einverstanden erklärt.
    Nun hatte Ned Angst, Regina Radcliffe könnte Francescagegenüber eine Bemerkung über ihre wahre Herkunft machen. Er wollte vermeiden, dass sie die Wahrheit von einer Fremden erfuhr; allerdings stand es auch ihm nicht zu, ihr die Umstände ihrer Geburt zu offenbaren. Diese Entscheidung musste Joe treffen.
    »Hast du eine Erklärung für Reginas Verhalten. Ned?«, fragte Francesca.
    »Ich ... ich weiß nicht«, entgegnete Ned bedächtig. »Reiche Leute haben ihre Eigenarten, Frannie. An deiner Stelle würde ich mich von Regina fern halten ... zumindest in nächster Zeit.« Er musste dringend Joe informieren.
    »Vielleicht hast du Recht, Ned. Meinst du, ich soll mit Monty darüber sprechen?«
    »Nein«, entfuhr es Ned lauter als beabsichtigt.
    Francesca sah ihn erschrocken an.
    »Er würde seine Mutter in Schutz nehmen, Frannie«, sagte Ned, während er die Panik in seiner Stimme zu unterdrücken versuchte. »Das ist ganz normal.«
    »Das habe ich mir auch überlegt«, erwiderte Francesca und lehnte sich an seine Schulter, wie sie es früher als Kind getan hatte.
    Sie fragte sich, ob sie jemals die Gelegenheit bekäme, mit Regina darüber zu sprechen.

    An diesem Abend war Silas Hepburn besonders schlecht gelaunt, als er das Werftgelände von Ezra Pickering betrat. Joe Callaghan hatte am Freitagabend die fällige Rate bezahlt, womit Silas nicht gerechnet hatte. Joe hatte zwar lediglich die Zinsen zurückerstattet, dennoch schäumte Silas vor Wut, denn er hatte nicht in Erfahrung bringen können, für wen Joe arbeitete.

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