Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Am Grund des Sees

Titel: Am Grund des Sees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
Vom Netzwerk:
einem Blick auf Francesca hielt sie inne und bestellte zwei Gläser Fragolino.
    Francesca nahm einen Schluck. Sich nicht von der Müdigkeit besiegen lassen, darum ging es. Denn dann stürzt alles auf einen ein wie ein Bleigewicht, der Alkohol, die Menge, die Absurdität der Welt um sechs Uhr morgens.
    »Wie hast du ihn überhaupt hierhergelockt?«, fragte Sara.
    »Weiß ich nicht.« Francesca leerte ihr Glas. »Ich dachte, es wird lustig, wenn wir ausnahmsweise mal was anderes machen … Keine Ahnung.«
    »Und er hat sich überreden lassen.«
    »Tja.«
    »Das heißt doch, es liegt ihm was an dir.«
    »Ach, Sara …«
    »Na schau, für ihn ist es wirklich nicht einfach!«
    »Glaubst du vielleicht, für mich? Mit diesen unmöglichen Uhrzeiten und diesen ständigen Geheimnissen und den Füchsen und … Er ist nicht wirklich normal , weißt du?«
    »Wer ist schon normal?«, fragte Sara mit einem Lächeln zurück.
    Francesca fing zu lachen an.
    »Um die Uhrzeit zu philosophieren ist vielleicht nicht das Ideale!«
    »Wieso denn nicht?« Sara betrachtete mit weiser Miene ihr Weinglas. »Nachts kann alles passieren. Und was morgen ist, weiß man nicht.«
    »Und wer fröhlich sein will, sei es!«, tönte die Stimme von Chico Malfanti.
    Francesca drehte sich um. Dieser verdammte Marienkäfer ging ihr langsam auf die Nerven. Aber der Anwalt war an Sara interessiert.
    »Kann es sein, dass wir uns schon mal gesehen haben?«
    »Kaum«, antwortete Sara.
    Unterdessen hatte ein Medley der Gipsy Kings eingesetzt, und Chico musste sich, um sich nicht von den wilden Drehungen eines Elfenpaars umwerfen zu lassen, ein bisschen an Sara drücken. Sie versteifte sich, und der Anwalt, von Panik ergriffen, sagte ihr: »Du hast schöne Augen!«
    »Was will der Typ!«, sagte Sara zu Francesca. »Komm, wir gehen raus, hier drin ist es zu heiß.«
    Zum Teufel, dachte Chico und leerte seinen Gin Tonic, ich werde schwachsinnig. Die Fasnacht war jetzt gelaufen, da war nichts mehr zu machen. Chico hatte zu viel getrunken. Und war bei der Freundin der Freundin von Contini in zu viele Fettnäpfchen getreten. Komisch, dass Contini eine so junge Freundin hatte. Wo steckte der übrigens? War er nach Haus zurückgekehrt, oder gab es irgendwo in der Trostlosigkeit des postkarnevalistischen Morgengrauens noch die Möglichkeit eines Abenteuers?
    »Was spinn ich mir denn wieder zusammen!«, sagte er zu einem Menschenfresser.
    Der Menschenfresser, der sich ein letztes Bier genehmigte, um sich für den Fußmarsch zum Bahnhof zu wappnen, beäugte den eingefallenen Marienkäfer und versuchte zu lächeln. »Kopf hoch«, sagte er, »in ein paar Stunden kommt die Sonne raus …«
    »Das ist wahr«, sagte Chico. »Die Sonne. Da hast du Recht.«
    Wie Betrunkene häufig, verstanden sich auch diese beiden auf Anhieb. Nachdem wenige Worte gewechselt waren, machten sie sich einträchtig auf den Weg zum Zug.
    Chico war mit sich und der Welt wieder im Reinen. Von Abenteuer war vorläufig keine Rede mehr. Zum Menschenfresser sagte er: »Na gut, dann halt das nächste Mal!«
    »Jawohl«, antwortete der Menschenfresser, »und vielleicht gehen wir nachher frühstücken.«
     
    Tommi hatte Contini angerufen. Das hatte er ihm doch selbst aufgetragen, nicht? Sag mir Bescheid, hatte er gesagt, wir sind ein Team. Aber wozu diese Geheimniskrämerei, warum half er ihm nicht, sprach ihm wenigstens Mut zu?
    Genug! An Mut fehlte es Tommi wirklich nicht. An die Wand der Unterführung gelehnt, setzte er, ohne nachzudenken, das Saxophon an die Lippen und begann mit Manha do carnaval . Nach einer Weile löste das Lied sich auf und ging in eine Improvisation über, mühelos fügten sich die Töne zu einer neuen Melodie, die eindringlich und schön war. Eigentlich, sagte sich Tommi, müsste er losgehen und Sandro Vassalli suchen, aber lassen wir ihm noch Zeit, warten wir, bis er bei seinem Auto ist.
    Und vielleicht hörte Vassalli ja das Saxophon. Vielleicht wurde er neugierig. Tommi warf einen Blick auf die Uhr. Noch eine Minute, dann wollte er losgehen, um ihn zu suchen. Die Musik entstand ganz von selbst, als entrollte sich ein Faden. Tommi starrte in die Finsternis, und es war ihm, als könnte er die erzeugten Töne sehen, als glitten sie, brennend, durch die kalte Luft von ihm fort. Im nächsten Moment hörte er Schritte. Er lauschte; spielte leiser, nahm den Rhythmus dieser langsamen Schritte auf, die voller Zögern waren.
    »Hey! Hey, wer bist du?«
    Tommi ließ das Instrument

Weitere Kostenlose Bücher