Am Grund des Sees
zur Neige ging, war Contini so weit, diese Möglichkeit wenigstens in Betracht zu ziehen. Er hatte ja nichts zu verlieren. Auf den Grund des Sees hinabsteigen und sich das alte Haus ansehen. Ja, vielleicht hat sie Recht, dachte er, vielleicht liegt die Erklärung seit zwanzig Jahren dort unten.
Pietro Villa hieß mit Spitznamen Pancho, was von einer gewissen Ähnlichkeit mit seinem berühmten Namensvetter Pancho Villa herrührte. Von Beruf war er Fotograf und hatte sogar einmal eine Reportage über die Stationen im Leben des mexikanischen Freiheitskämpfers gemacht, sein Spezialgebiet aber war Afrika, und er träumte davon, irgendwann genügend Geld beisammen zu haben, um ein Buch, einen Fotoband über den Schwarzen Kontinent, machen zu können.
Aber das Geld blieb aus; er brachte sich mit Kleinaufträgen und Gelegenheitsjobs über die Runden und bemühte sich, das Fernweh nach Afrika im Zaum zu halten. Wenn Contini jemanden brauchte, der ihm, sei es in fotografischer oder sonstiger Hinsicht, zur Hand ging, vertraute er auf das vielseitige Talent von Pancho. Tatsächlich war der Fotograf auch ein ausgezeichneter Fahrer, ein sehr brauchbarer Mechaniker, ein passabler Elektriker und nebenbei auch ein erfahrener Taucher.
Deshalb war er es, an den der Detektiv sich wegen seines Anliegens wandte: ein Tauchgang im Stausee von Malvaglia.
»Du spinnst«, kommentierte Pancho, als er in Continis Büro saß und eine Flasche Bier öffnete.
»Kann sein«, antwortete der Detektiv.
Der Fotograf fuhr sich mit einer Hand über den Bart und rief: »Was glaubst du denn dort unten zu finden? Das Versteck des Mörders?«
»Vielleicht. Schauen wir einfach mal.«
»Hm«, sagte Pancho mit einer Grimasse. »Schwierig.«
»Wieso?«
»Weil es natürlich verboten ist. Und ausgerechnet jetzt … stell dir die Mengen von Schaulustigen vor.«
Contini zuckte die Achseln.
»Dann tun wir es halt in der Nacht.«
Pancho hätte sich beinahe am Bier verschluckt. »Du spinnst wirklich!«, rief er.
»Warum, dann sieht uns keiner.«
»Ja, aber wir sehen auch nichts. Und Februarnächte sind nicht unbedingt ideal zum Tauchen.«
»Schon, aber du kannst sicher alles besorgen, was nötig ist, damit wir nicht erfrieren, was weiß ich - geheizte Tauchanzüge oder so was.«
»Geheizte Tauchanzüge. Jesusmaria! Aber ich seh schon, du lässt dich von der Idee nicht mehr abbringen, wie?«
»Ich kann mich von der Idee nicht abbringen lassen«, erwiderte Contini. »Und ich kann doch mit runterkommen, oder?«
Diesmal bekam Pancho das Bier wirklich in den falschen Hals und musste, bevor er antworten konnte, ausgiebig husten.
»Du spinnst eindeutig. Nicht nur hast du keine Ahnung vom Tauchen, sondern bist auch noch dürr wie ein Skelett … wann hast du zuletzt ordentlich gegessen?«
»Also, kann ich mit runter oder nicht?«
»Genauso gut kann ich an eine Hauswand hinreden.«
»Eine Hauswand? War es bisher nicht immer ein Grab?«
»Ist doch dasselbe. Lass mich nachdenken. Hast du ein Papier? Oder Moment …«
Pancho trug eine Fischerweste über einem khakifarbenen Hemd, in dessen zahlreichen Taschen er wühlte, bis er einen Bleistift und einen Zettel zutage gefördert hatte.
»Also …« Pancho fing an zu notieren. »Wir brauchen natürlich zwei Tauchmasken. Dann … Wie tief ist der See?«
»Unser Haus stand an einem Hang - maximal dreißig Meter, schätze ich.«
»Ja … dann würde ich sagen, wir nehmen zwei Druckluftflaschen à fünfzehn Liter, zwei Hundert-Watt-Lampen. Ich hab natürlich meine Tauchausrüstung, aber du brauchst: Flossen, Halbtrockenanzug, Handschuhe, Fußlinge, Bleigewichte, Messer, Tarierweste, Neoprenkopfhaube gegen die Kälte, Inflatorschlauch. Einer muss für den Notfall draußen die Stellung halten. Wen willst du fragen?«
»Renzo vielleicht.«
»Hm, okay. Hauptsache, er macht keinen Krach.«
Renzo Malaspina war ebenfalls ein Experte, an den sich Contini um Hilfe wandte, wenn er allein nicht weiterwusste, allerdings war er der Mann fürs Grobe.
»Das kostet dich eine Stange Geld«, sagte Pancho. »Deine Ausrüstung kann ich teilweise leihen.«
»Gut. Sag mir Bescheid, was ich zahlen muss.«
»Aber du hast doch gar keinen Auftraggeber …«
»Nein.«
Pancho sah den Detektiv an. »Na ja. Du weißt sicher, was du tust.«
»Ich werde des Mordes an Pellanda und Vassalli verdächtigt.«
»Und um dich zu entlasten, musst du in den See von Malvaglia hinuntertauchen?«
»Nein.« Contini zündete sich eine
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