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Am Grund des Sees

Titel: Am Grund des Sees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Fazioli
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meine Visitenkarte hinterlegen können.«
    »Nein, natürlich ist das kein Beweis«, sagte Calgari mit halbem Lächeln. »Aber leider werden die Leute nur im Film aufgrund von Beweisen vor Gericht gestellt. Sie wissen doch, dass das Gesetz denjenigen als auf frischer Tat ertappt betrachtet, der von der Stimme des Volkes als Urheber ebenjener Tat verfolgt wird?«
    »Die Sache scheint Ihnen ja einen Mordsspaß zu machen«, sagte Contini und stand auf.
    »Natürlich nicht! Aber Sie müssen mich verstehen.« Calgari räusperte sich. »Es sprechen sehr konkrete Indizien gegen Sie.«
    Mit anteilnehmendem Lächeln und beherztem anwaltlichem Händedruck wurde der Detektiv verabschiedet. In Calgaris Blick aber las er ein unerbittliches Urteil: Du bist der Mörder, sagte dieser liebenswürdige Blick, und das wissen wir beide.
     
    Tommi war früh aufgestanden und ins Büro gefahren.
    Draußen war es noch so dunkel wie in tiefer Nacht. Ein feiner Schneestaub tanzte im Lichtschein der Straßenlaternen. Was für eine Kälte. Tommi setzte Kaffee auf und schaltete den Computer ein. Er war verwirrt. Seine Taten vom Vortag hatten bei ihm vor allem ein Gefühl wachsender Beklemmung ausgelöst. Tu nie irgendwas ohne Grund, pflegte sein Vater zu sagen. Aber jetzt hatte sich Tommi auf ein Spiel eingelassen, das er nicht mehr beherrschte.
    Er begann die Mails zu lesen. Das meiste war Spam; dazwischen ein paar Kundenanfragen, die Signor Barenco beantworten würde, und ein paar Briefe, die in Tommis Zuständigkeit fielen. Die Kontakte mit Zulieferern zum Beispiel waren sein Aufgabengebiet, ebenso alles, was mit Versicherungen zu tun hatte.
    Er schenkte sich Kaffee ein und dachte: Jetzt ist alles sinnlos. Er empfand kein Bedauern, dass er gemordet hatte, das nicht; aber es war ihm auf einmal der Plan abhandengekommen, der hinter der gesamten Operation stand.
    Und Contini? Wusste Contini, was sie da taten?
    Der Kaffee hatte einen metallischen Nachgeschmack. Tommi stürzte ihn mit einer Grimasse hinunter. Das Neonlicht im Büro war auch nicht aufmunternd. Er schaltete das Radio ein und hoffte auf Musik, aber es kam das Morgenjournal. Er war am Abend früh zu Bett gegangen, ohne das Radio oder den Fernseher einzuschalten, und als er jetzt die Nachrichten hörte, war er wie vom Donner gerührt. Die Tasse fiel ihm aus der Hand und zerbrach auf dem Fußboden, ohne dass er es merkte.
    Das war doch nicht möglich.
    Und doch …
    Tommi fiel es schwer, ruhig zu bleiben. Er wollte schreien, auf die Straße hinausrennen. Um sich in den Griff zu bekommen, dachte er an die Logikaufgabe mit den drei Duellanten. Herr A trifft das Ziel nur jedes dritte Mal, Herr B trifft zwei von drei Malen, und Herr C trifft immer. Jeder darf einmal schießen, erst Herr A, dann B, dann C. Auf wen schießt Herr A? Und warum? Warum?
     
    Supplique pour être enterré à la plage de Sète . Während er Georges Brassens zuhörte, stellte sich Contini den Tod als ausgedehnten Urlaub in Südfrankreich vor: über ihm die Laubkrone eines Baums und vor ihm nichts als das Atmen des Meeres. Unterdessen stand er, mit Hut und Mantel gegen den Wind gewappnet, auf der Veranda vor seinem Haus, rauchte und blickte hinab auf die Lichter von Corvesco. Die unregelmäßigen Böen wehten den Duft des Waldes und Wolken winziger Schneeflöckchen zu ihm her.
    Contini wartete auf Malfanti, der ihm eine Liste mit den Namen aller Eigentümer von Grundstücken rund um den Stausee zusammengestellt hatte. Er war überzeugt, dass der Mörder unter ihnen war. Aber wer konnte es sein? Für eingehende Recherchen blieb ihm keine Zeit; deshalb hoffte er, den Anwalt zu illegalen Auskünften über seine Mandanten überreden zu können.
    Malfanti hatte eigentlich ein Talent dafür, die Dinge ganz pragmatisch zu nehmen. Nicht anders war es zu begreifen, weshalb er sich bereit erklärt hatte, den Hauptverdächtigen im »Fall Malvaglia« trotz expliziten Verbots von Seiten seines Arbeitgebers zu Hause aufzusuchen.
    Das Schneegestöber fegte gegen das Verandageländer und durch den offenen Türspalt ins Haus. Die Windböen übertönten Brassens’ Stimme. Der Tod. Was sagst du dazu, Kater? Unsereiner denkt über so was nicht nach, Contini, wir sind Katzen . Der Detektiv ging ins Haus und holte sich noch ein Bier aus dem Kühlschrank.
    Mit einem Kater über den Tod zu reden wäre also geschmacklos?
    Aber nein, Contini, red nur. Der Kater ließ seinen Schwanz zucken und reckte sich mit huldvoller Miene. Contini ließ

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