Am Haken - Ein maximalistischer Roman ueber das Leben die Liebe und den grossen Hecht
Einzige, was ihn im Stich lässt, ist sein Mundwerk.
»Hi … äh … hey«, murmelt er und hört sich an wie eine schlechte Kopie der alten Maus Bud.
»Ihr seid aber fleißig«, sagt Selma. »Braucht ihr Hilfe?«
»Ja!«, rufe ich seufzend.
»Nein!«, quakt Jerry. »Wir können dich doch … äh, nicht damit belästigen.«
»Kein Problem«, sagt Selma, packt eine Farbrolle und stellt sich neben mich. »Irgendwie ist er komisch, oder?«, flüstert sie mir zu.
»Das ist halt einer dieser Tage«, erkläre ich vielsagend und hoffe, das beantwortet alle Fragen.
Nun ergreift auch Jerry eine Rolle und zwängt sich zwischen Selma und mich. Schiebt mich geradezu beiseite.
Aber das ist schon in Ordnung.
Ein Tollpatsch muss eben so einiges ertragen.
Ich ziehe mich zurück und tue so, als musterte ich die Wand.
Ich wünschte, ich könnte sagen, dass es flott vorangeht.
Aber das tut es nicht.
Wenn alle drei gearbeitet hätten, dann wären wir schnell vorangekommen. Wenn mindestens zwei von uns dabeigeblieben wären, hätten wir die Wand in zwei Stunden geschafft. Aber wenn Jerry die gleichen zehn Zentimeter immer wieder streicht, während er dabei Selma halbe Silben zumurmelt – die dadurch bei ihrer Arbeit gestört wird und nur zaghafte Striche vollführt –, dann ist das eine Rechenaufgabe, die nicht aufgeht.
Ich ziehe mich resigniert nach rechts zurück. Weg von den Fenstern und der Tür. Fange in der Ecke an, um von den beiden wegzukommen.
In mir brodelt ein merkwürdiges, schmerzhaftes Gefühl. Das Gefühl, allein zu sein. Ich habe 105 einsame Kilo und könnte mir nicht verlorener vorkommen.
Aber woher kommt dieses schmerzhafte Gefühl?
Ich glaube, dass es etwas mit dem Geruch von Mädchen zu tun hat – als Selma ganz dicht neben mir stand, hat dieser Mädchengeruch etwas in mir ausgelöst. Einen Traum, von dem ich wünschte, ich hätte ihn nicht.
7. EIN SCHÖNER TRAUM
Mein Gehirn arbeitet nur mit halber Kraft. Mein Gehirn träumt einen kunterbunten Film, in dem ich Maggie durch den Wald führe. Wir sind fast eins miteinander und spüren beide, dass wir ein Teil von etwas Größerem sind – da sind wir, der Wald, die Fische, die Jagd und alles, was lebt und atmet.
Maggie und ich können unsere Gedanken lesen. Unsere Hände sind wie Hochspannungsleitungen, unsere Finger verschränken sich elektrisch ineinander und senden unsichtbare Signale zwischen unseren Köpfen hin und her, die somit zu einem Kopf werden.
Und wie auf Signal drehen wir uns zueinander und unsere beiden Lippen verschmelzen zu einem Kuss,werden eins. Maggie und ich, wir lehnen uns mit unserem gewaltigen Gewicht gegeneinander. Das ausreichen würde, um einen Planeten zu verschieben – sofern wir das wollen.
Und im Traum wollen wir unbedingt einen Planeten verschieben. Wir finden eine leicht hügelige Wiese mit weißen und gelben Blumen, legen uns hin, küssen uns, unsere Lippen sind vereint, unsere Köpfe sind vereint, unsere Körper sind vereint. Traum-Bud flüstert Worte, von denen er nie geglaubt hat, dass er sie sagen könnte, und bekommt Worte zu hören, die er bisher nur im Film gehört hat.
Und das allein genügt, um einen Planeten zu verschieben. Nicht nur so einen albernen Zentimeter. Sondern zehn Kilometer. Der Himmelskörper hüpft hoch, springt aus seinem Drehpunkt und rollt ins Weltall, wobei er vor Freude jubelt.
Und im Traum knöpfe ich Maggie die Bluse auf, und im Traum erlaubt sie mir das und schaut mir dabei zärtlich in die Augen. Und wünscht sich, dass ich den Planeten, der sie ist, weiter verschiebe, und ich knöpfe weiter und schiebe die Bluse zur Seite. Und nehme eine Brust in die Hand und küsse sie.
Und so rollt und kullert der Planet und verschiebt sich und freut sich.
Wie in einem Traum.
Leider ist es nur ein Traum.
8. LASS MICH NICHT ALLEIN!
Ich lege die Sachen hin, um aufs Klo zu gehen.
»Du willst doch wohl nicht schon aufhören?«, fragt Jerry sofort. »Wir müssen das durchstehen. Das ist dir doch wohl klar?«
»Ich muss nur … aufs … äh … du weißt schon«, antworte ich überrascht.
»Das kann ja wohl noch ein bisschen warten, oder?« Jetzt baut sich ein Jerry auf, wie ich ihn nicht kenne. Er ähnelt einem strengen Vorarbeiter. Oder einem Feldwebel aus Stahl und Titan, der Dynamit zum Frühstück isst und die Rekruten zwingt, alles zu ertragen.
»Schon, aber …« Ich wedele verwirrt mit den Händen, um zu unterstreichen, wie dringend es
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