Am Hang
als eine ist die Zeit zu knapp. – Dann mußt du dich eben beschränken, die Qual der Wahl kann ich dir nicht ersparen. – Gut, sagte ich, ist es dir recht, wenn ich beim Nervenbündel bleibe, das ich schon mehrfach erwähnte? – Das überlasse ich dir, Hauptsache, ich lerne dazu. – Ich wüßte nicht, was dieser Fall dich lehren könnte. – Ich hab es doch eben gesagt: wie man mit einem Heizstrahler umgeht.
Gut, also, sagte ich, ich fange mit dem Anfang an. Er ist zwar nicht so interessant wie deine Hundegeschichte, aber immer noch reizvoll genug, wie überhaupt der Anfang das Reizvollste ist, was eine Beziehung zu bieten hat. Nichts spannender, erregender, als sich an eine fremde Frau heranzutasten! Mit Blicken, mit Worten – und schließlich, falls es knistert, mit spielerischen Händen und so weiter. Nach diesem Knistern bin ich süchtig, nur überdauert es die Anfangsphase selten und macht allmählich einem Knirschen Platz. Jaja, ich weiß, du hast ein anderes Bild dank deiner anderen Erfahrung, ich hab die Skizze deiner Stufenleiter noch im Kopf. Also, ich wohne ja am Berner Stadtrand, gleich in der Nähe eines Einkaufcenters, zu dem ein kleiner Park mit Kinderspielplatz gehört. Auch Bänke sind da und ein plätschernder Brunnen. Und eines Abends, ich hatte eingekauft, sah ich an diesem Brunnen einen Mann stehn, der idiotisch grinste und einen Gegenstand im Wasser schwenkte. Ich setzte mich auf eine Bank und schaute ihm verwundert zu. Er grinste und schwenkte. Eine Frau kam hinzu, setzte sich ans andere Ende der Bank und schaute ebenfalls. Der Mann bemerkte unser Interesse und schien es zu genießen. Schließlich nahm er das Ding heraus und hielt es noch für eine Weile unter den Strahl der Röhre. Das Ding, wie ich jetzt sah, war ein Gebiß. Der Mann fixierte uns, sperrte sein Maul auf, setzte es ein, das Gebiß, und entfernte sich immer noch grinsend. Wir schauten uns an, die Frau und ich, sie lächelte, ich lachte. Sie hatte ein hübsches, ja schönes Gesicht, und ihr fast schwarzes Haar, sie trug es kurzgeschnitten, betonte dessen Blässe. Mein Typ war sie allerdings nicht, ich stehe mehr auf blonde Frauen und auf sportliche, mit denen ich auch Tennis spielen kann. Trotzdem begann ich zu plaudern mit ihr, weil ich nicht anders kann. Sie sagte wenig, doch ihre Körpersprache verriet durchaus nicht Unzugänglichkeit. Ich machte ein paar lockere Sprüche über die seltene Form des Entblößungsdrangs, die wir eben hatten beobachten können. Sie schien mich ganz lustig zu finden und taute so weit auf, daß ich es wagte, forsch und direkt zu sein und sie zu fragen, ob sie zur Feier des 1. Aprils einen Apéro mit mir trinke. Sie fragte, ob meine Frage ein Aprilscherz sei. Nein, blutiger Ernst, sagte ich. Sie lächelte, sie schaute auf die Uhr und zauderte. Dann sagte sie wie zu sich selbst: Warum eigentlich nicht. – Und diese drei Wörtchen wiederholte sie auch, als ich nach dem Campari fragte, ob wir uns wiedersehen könnten. Die nächste Frage allerdings: ob ich sie dann entfuhren dürfe in ein nettes Lokal, verneinte sie und bestimmte als Treffpunkt den Kinderspielplatz – in einer Woche und zur gleichen Zeit. Mit großer Selbstverständlichkeit nahm sie die Rolle ein, die ich in solchen Fällen zu spielen gewohnt war: die des Herrn über Wo und Wann. Und dieser Umstand irritierte mich ein wenig, vor allem aber reizte er mich. Denn oft, während der Tage des Wartens, malte ich mir die Stunde aus, in der die Herrin weiche Knie bekommen würde. Im übrigen hatte ich bei unserem Apéro so gut wie nichts erfahren über sie, auch ihren Vornamen nicht, was ihren Reiz für mich noch steigerte. Und etwas Drittes hat mich angezogen: Ich bevorzuge reifere Frauen. Das war sie. Sie ging so gegen die Vierzig, schätzte ich, ein Alter, in dem die Frauen nach meiner Erfahrung die optimale Genußreife haben.
Moment, sagte Loos, den Ausdruck muß ich mir notieren, obwohl… – Er zog sein Notizheft hervor, schrieb aber nichts und verstaute es wieder. Er deutete auf seinen linken Unterarm und sagte: Die Allergie. – Tatsächlich sah ich ein paar rote Punkte und fragte ihn, ob er den Ausdruck abstoßend finde. – Auf Aprikosen oder Käse angewandt durchaus nicht, sagte er, mach ruhig weiter, ich wollte dich nicht unterbrechen. – Und ich dich nicht allergisieren, auf jeden Fall war sie schön reif, und meine Gedanken kreisten täglich um sie und ihre Erscheinung, was üblicherweise als Symptom der Verliebtheit
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