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Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Titel: Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kylie Fitzpatrick
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schwer von der dauernden Feuchtigkeit in Manannans Reich. Sie befanden sich auf dem Weg in den Süden, also sollte sich zumindest die Temperatur verbessern, wenn auch nichts sonst.
    Albert war gut gelaunt wie immer. Er hatte ihr einige aufgeschnappte Brocken Tratsch berichtet, um ihre Gedanken von ihrem Elend abzulenken. Sie hatte vom ersten Stelldichein zwischen einem Helfer aus der Bordküche und einer Gefangenen gehört, und wusste, dass der Prediger Reverend Boswell unter schweren Blähungen litt. Oder, wie Albert es nannte, unter »Tuten«. Er hätte noch nie etwas Derartiges gehört, und er hätte mehr als einmal das Pech gehabt, windabwärts zu stehen. Laut Albert gab es einen Passagier, der frühmorgens an Deck ging, um Pergamentstücke in die Sonne zu legen.
    »Der is nich ganz richtig im Kopf, tät ich sagen«, erklärte Albert und wies sie auf eine Seilrolle hin, damit sie nicht darüber stolperte. Dann blieb er stehen und blickte hinaus aufs Meer. »Schauen Sie sich das an, Mahoney.« Er zeigte auf die Wellen. Sie folgte der Linie seines Fingers und entdeckte einen Bogen aus Silber und dann noch einen und eine Reihe großer Flossen, die durchs Wasser schnitten. »Das müssen Tümmler sein«, vermutete Albert. »Normalerweise sieht man sie nich in diesen Breitengraden, weil sie eigentlich näher bei Südamerika wohnen. Ich schätz mal, die sind extra gekommen, um Sie zu begrüßen.«
    Rhia musste lächeln. »Nun ja«, erwiderte sie, »Rhiannon war schließlich die Frau von Manannan und die Königin des Meeres.«
    Albert sah sie an, als spräche sie Griechisch. »Mana … wer?«
    »Der König des Meeres.«
    »Sie meinen Triton.«
    »Genau den.«
    Albert sah sie misstrauisch an. »Und wer ist dann Rena …?«
    »Rhiannon. Sie ist eine Göttin, und ich wurde nach ihr benannt.«
    Albert runzelte die Stirn. »Aha. Und was hat die so angestellt?«
    »Sie konnte die Toten zum Leben erwecken und die Lebenden in den Tod lullen.«
    Albert stieß einen leisen Pfiff aus und sah Rhia misstrauisch an. Als wollte er nun lieber nicht mehr so dicht an der Reling neben ihr stehen, ging er dann rasch an der Seite des Schiffes entlang, die er Lee nannte. Rhia folgte ihm vorsichtig und breitbeinig und hielt den Blick auf alles, bloß nicht auf diese rollenden Wellen gerichtet.
    Das Grüppchen für die Morgenandacht war klein. Weniger als fünfzig Gefangene und keine Passagiere. Albert blieb stehen, bevor sie den letzten kurzen Treppenabsatz zum Achterdeck erreichten. »Reverend Tuten sagt, dass er zu seinen Schäfchen in die Kolonie zurückkehrt, also nehm ich an, er hat ein paar Marinos.« Rhia lachte laut heraus. Albert wirkte überrascht, entweder weil er sie noch nie hatte lachen hören, oder weil er gar keinen Witz gemacht hatte. Er schüttelte den Kopf. »Hab noch nie ’nen Prediger mit an Bord gehabt.« Dann fügte er hinzu: »Der Kapitän sagt, es is ein gutes Omen.« Ein gutes Omen, weil die Gefangenen durch tägliches Beten und Lobpreisen vielleicht gebessert werden konnten?
    Albert überließ es Rhia, die letzten Stufen allein zu erklimmen, und sie spürte seine Abwesenheit deutlich. Ihm war es gelungen, ihre bleischwere Stimmung zu heben. Sie nahm ihren Platz hinten in der zerrupften Gruppe ein. Der saure Geruch nach Erbrochenem hing in der Luft – vermutlich stank sie selbst danach. Reverend Boswell hielt dröhnend seine Ansprache, eine Predigt über die Erlösung von Sünde und Verdammnis. Zählte die Lieferung einer Schiffsladung voll Sündern an die Kolonien als Errettung?
    Rhia verlor bald das Interesse an der Predigt und schob sich ein wenig näher an das Messinggeländer des Achterdecks heran, so dass sie mehr vom Hauptdeck sehen konnte. Es herrschte unablässiges Treiben. Ein Befehl wurde vom Bug des Schiffes an den Maat oder den Bootsmann erteilt – sie war sich nicht sicher, welcher welcher war – und dann an einen Matrosen, der hinauf in die Takelage kletterte und ein Segel justierte. Der Bootsmann hielt den Blick auf die Segel gerichtet, vermutlich um jegliche Veränderung der Windrichtung zu beobachten. Auch sie sah hinauf, seinem Blick folgend. Es war erstaunlich, dass diese Männer den Wind und das Meer so lesen konnten, dass ein Schiff mit solcher Geschwindigkeit zu den entlegensten Winkeln der Erde reisen konnte. Einen Augenblick lang verspürte sie ein Gefühl des Staunens, anstatt des üblichen Schreckens, beim Gedanken an das, was sie hier erlebte.
    Als die Predigt vorbei war, gab Rhia sich

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