Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)
Geschäfte?«
Albert grinste. Er bemühte sich sehr, mutig zu wirken, aber sie konnte sehen, dass er sich Sorgen machte. »Die meisten Händler haben noch irgendein Ding am Laufen – und wenn’s nur darum geht, nicht ihre ganzen Hafensteuern zu zahlen.« Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Guckloch.
»Was passiert gerade?«
»Sie brauchen nich zu flüstern – uns kann keiner hören. Der Koch is an Deck, und er redet mit einem der Chinesen, der mit ’nem Ruderboot an der Seite angelegt hat.«
»Was sagt er?«
»Keine Ahnung. Er redet Chinesisch.« Albert schwieg eine ganze Weile.
Da fiel Rhia wieder ein, was sie ihn noch hatte fragen wollen. »Albert?«
»Mhm.«
»Weißt du, was die Tätowierung des Kochs bedeutet?«
»Hab ich ihn auch schon gefragt«, antwortete Albert wieder nach langem Schweigen. Er wandte den Blick nicht vom Guckloch ab.
»Und?«
»Er war früher mal Silberschmied, und er sagt, es erinnert ihn daran, dass es im Leben mehr gibt als ’ne stinkende Schiffsküche.«
»Aber was bedeutet das Symbol?«
»Silber.«
»Was passiert denn jetzt?«
»Wenn Sie mal aufhören täten, mich mit Fragen zu löchern, könnt ich vielleicht … ah.«
»Was?!« Rhia hätte ihn am liebsten zur Seite geschoben, um selbst sehen zu können.
»Sie haben die Leiche an Deck gebracht. Das is das Einzige, was die Chinesen vertreiben wird. Is ein schlechtes Omen für jeden Matrosen, ob Engländer oder Chinese, wenn eine Frau an Bord stirbt. Jetzt sind da zwei Chinesen auf Deck, und der Bootsmann hat die Hand an seiner Pistole. Sie schauen die Leiche an. Ja, das hat geklappt, sie können nicht schnell genug von Deck kommen!«
Cailleach hatte ihr Werk verrichtet. »Eine Frau? Wer ist gestorben?«
Albert sah sie komisch an, und Rhia kannte die Antwort, bevor er es ihr sagte.
»Dickson«, erwiderte er. »Vor zwei Tagen.«
Margaret.
Der Nachmittag zog sich endlos hin und das Abendessen im Schiffsbauch ebenfalls. Jetzt wussten es alle, und die Stimmung war düster. Als Rhia sich gerade fragte, ob man ihnen wohl erlauben würde, an Margarets Bestattung teilzunehmen, tauchte eine Wärterin unten auf und scheuchte sie alle die Leiter hinauf zu einem »Abendgottesdienst«.
Das Meer war so glatt wie Seide, und es ging kaum ein Lüftchen. Immer noch war es brütend heiß, obwohl die Sonne bereits im dunklen Wasser versank. Reverend Boswell stand am Bug, die Haare unter seinem Predigerhut verschwitzt. Seine Gemeinde bestand aus drei Teilen: Die Frauen, barfuß mit ihren schwarzen Schürzen und Stoffkappen, standen mit gesenkten Köpfen hinten. Diese ehrfürchtige Haltung lag ebenso an den letzten blendenden Strahlen der Sonne wie an der Feierlichkeit des Anlasses. Die Passagiere standen so weit von ihnen entfernt wie nur möglich – ein halbes Dutzend Damen und dieselbe Anzahl schwitzender Ehegatten in Sonntagsanzügen. Das dritte Grüppchen bestand aus der Besatzung, unruhig und gereizt, als hätte der Herrgott sich in ihren Herrschaftsbereich eingemischt. Hinter ihnen auf Deck lag eine lange, in Segeltuch eingewickelte Rolle in Form eines Körpers.
Boswell wischte sich über die Stirn. »Herr, erbarme dich der Seele der Sünderin Margaret Dickson …« Er wurde von einem plötzlichen Windstoß unterbrochen, der seinen Hut hinaus aufs seidige Meer wehte. Einen Augenblick lang wirkte der Prediger zu überrascht, um fortzufahren, doch schließlich fing er sich wieder und bedachte die Frauen mit einem vernichtenden Blick. Das Lachen war ansteckend, und keine versuchte es zu verbergen. Margaret wurde offensichtlich nicht gern als Sünderin bezeichnet.
Man hatte ihren Leichnam in das Segeltuch eingenäht, das nun von vier Matrosen geschultert wurde. Eine Holzplanke ruhte auf der Reling, von weiteren vier Matrosen festgehalten. Margaret wurde daraufgelegt. Diese Bahre wurde dann gekippt, bis die Rolle wie ein leerer Kokon ins Meer trudelte. Sie verschwand sofort in Manannans dunklem Verlies.
TEIL III
W OLLE
Der Gummibaum hat keinen Schatten,
Und das Flechtwerk keine Frucht.
Der Papagei trällert nicht
In Trillern wie die Flöte.
Der Kakadu gurrt
Der Taube ganz nah,
Doch fürchte nicht, Liebes,
Komm auf meine Farm.
Vierhundert Meilen weit weg
Liegt das Ziel unsres Weges,
Man schafft’s in einer Woche
Bei sechzig pro Tag.
Die Ebenen sind staubig,
Die Bäche ausgedörrt,
Kein bess’res Wetter kann’s geben
Heimzubringen meine Braut.
Das blaue Gewölbe des Himmels
Soll ihre Form
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