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Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Titel: Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kylie Fitzpatrick
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überspannen
    Eine Seite des Gummibaums
    Muss wärmen der Mondesstrahl.
    Der summende Moskito
    Soll tanzen über deinem Kopf,
    Und der Guana soll hocken
    Am Fuße deines Betts.
    Der mut’ge, lachende Esel
    Soll dich singen in den Schlaf,
    Und die Schlange soll wachen
    Über deinen nächt’gen Schlummer!
    Dann schlaf, Lady, schlaf,
    Träum nicht von Schmerz
    Bis der Frost des nächsten Morgens
    Dich wecket erneut.
    R OBERT L OWE

51
    M AZARINBLAU
    Die kalte See umspülte wirbelnd Rhias Knöchel. Das Gewicht ihres vollgesogenen Saums war alles, was sie verankerte, als sie aus den Ruderbooten der Rajah gestiegen waren und ans Ufer wateten. Ihre Beine fühlten sich an, als könnten sie jederzeit nachgeben. Sie waren zu Seemanns-Beinen geworden.
    Der Sonnenuntergang hinter diesen seltsamen Bäumen glich einem Waldbrand. Die höchsten weißesten Bäume, die sie je gesehen hatte. Glatte Zweige und blasse Stämme glänzten im Dämmerlicht. Die Luft war ein Chor aus Seufzern und Kreischen, und die langen Gräser hinterm Sand raschelten voller unsichtbarer Wesen.
    Rhia konnte Nelly hinter sich beten hören, die kleine Pearl mit einem Tuch vor die Brust gebunden. Nelly ging davon aus, dass in den Bäumen Eingeborene auf sie warteten, die sie mit ihren Speeren durchbohren und in einem Kessel kochen wollten. Jane, ein Stück vor ihnen, war im Wasser auf etwas Scharfes getreten, und humpelte mit schmerzverzerrtem Gesicht. Mehr als die Hälfte der Frauen, unter ihnen Nora und Agnes, hatten bereits das Ufer erreicht. Etwas schien hier schwer in der Luft zu liegen, etwas, das jenseits ihrer Erfahrungswerte lag. Es hatte Rhia eingehüllt, sobald ihre bloßen Füße weich in den braunen Sand hineingezogen wurden. Dieser Ort fühlte sich alt an, uralt . Die Wicklow Hills in Irland könnten im Vergleich dazu erst im letzten Frühling aus der Erde geschossen sein. Am Rande von Manannans Reich liegt das Land, in das alle irdischen Seelen streben. Jedes Mal, wenn sich eine Welle an seinem Ufer kräuselt, wurde einem weiteren Geist der Eintritt gewährt.
    Rhia zwang sich, ihre Aufmerksamkeit auf das zu lenken, was sie sehen konnte. Der Hafen lag ein paar hundert Meter weiter nördlich, von Gaslampen und Kohlenpfannen erhellt. Am Kai hatten zwei Klipper angelegt, und noch mindestens drei weitere lagen etwa eine Meile außerhalb vor Anker. Männerstimmen schallten über die Wellen herüber, zusammen mit den Fetzen eines Seemannslieds und dem Knarren von Weiden, als Kisten auf dem Sand abgeladen wurden. Entlang der Küste erstreckten sich niedrige Holzbauten. Im Süden ragten Klippen und dunkle gezackte Felsen auf, zwischen denen sich, wie Rhia annahm, vermutlich noch hundert weitere kleine Buchten wie diese hier befanden. Der Geruch von Holzfeuer und Vieh mischte sich mit dem Duft von Mr Reeves noch unerforschter Flora.
    Nichts hier erinnerte sie an zu Hause.
    Man trieb sie in Richtung eines Strandabschnitts, auf dem eine Gruppe Soldaten in staubigen Mänteln stand. Die Soldaten behielten die Frauen fest im Auge, als sie so aus dem Meer herausstolperten. Gingen sie davon aus, dass jemand versuchen würde, in das undurchdringliche Dickicht hinterm Sand zu flüchten? Als ob irgendeine dieser verängstigten, erschöpften Frauen versuchen würde zu flüchten. Lieber ein neues Gefängnis als diese geisterhaften Bäume und die Tiere, die darin hausten.
    Im hellen Licht der Soldatenlaternen marschierten sie einen Pfad durchs Gras und Unterholz entlang, zwischen den Bäumen hindurch, bis zu einer staubigen Straße. Der Wald war nicht so dicht, wie er vom Strand aus gewirkt hatte, die Bäume jedoch genauso unheimlich. Sie besaßen wenig silbernes Laub, und die Rinde hing ihnen in Streifen vom Stamm, als würden sie sich häuten. Wie Schlangen. Ganz in der Nähe ertönte ein dumpfer Schlag, der das Gestrüpp erzittern und den Boden vibrieren ließ. Gab es Bären in Australien? Nelly hatte ihren Rosenkranz herausgeholt.
    Die Soldaten schienen dem Bären keine Aufmerksamkeit zu schenken, sondern musterten unverhohlen die Herde Frauen. Warum sollten sie ihr Interesse auch verheimlichen? Schließlich handelte es sich bei den Frauen um weibliches Vieh, das man genauso gut anpflocken konnte und das hier nicht mehr nur Besitz der englischen Krone war. Man beurteilte sie während des Laufens, vermutlich, um einschätzen zu können, wer noch stark genug für die Landarbeit war und wer vielleicht noch Nachwuchs zur Welt bringen konnte.
    Rhia hielt den Blick zu

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