Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)
Boden gerichtet und konzentrierte sich darauf, auf dem festen Untergrund nicht zu stolpern. Sie beobachtete, wie der helle Staub an ihren nassen Füßen kleben blieb. Mühsam schluckte sie die Bitterkeit hinunter, die in ihrer Kehle aufstieg, als sie sich an ihren Traum von Eigenständigkeit erinnerte. Was für ein Zeitpunkt, um daran zu denken! Zur Hölle mit der Eigenständigkeit. Agnes behauptete, der beste Weg aus einer Frauenfabrik herauszukommen sei es, einen Mann zu finden. Sie wusste das, weil ihr Liebhaber auf der Rajah zwei solche Frauen gehabt hatte. Niemand hatte nachfragen wollen, was aus ihnen geworden war. Matrosen, Soldaten und freie Siedler konnten sich alle Sträflinge zur Frau nehmen.
Rhia wurde von etwas in die Rippen gestoßen. Sie sah auf und blickte ins schmutzige Gesicht eines Jungen, der kaum alt genug war, um sich zu rasieren. Er klopfte sich mit einer Art Stock auf die Handfläche. Abschätzig taxierte er sie, als hätte er schon Besseres gesehen. Sein Blick verweilte an der Stelle, wo sie die Arme vor der Brust verschränkt hatte. Schließlich sah er ihr ins Gesicht, und darauf war sie vorbereitet. Sie zischte ihm einen von Mamos besten Flüchen zu, als beherrsche sie tatsächlich die Art von Hexerei, der Juliette sie verdächtigt hatte. Er schaute weg. Also fehlte es ihm doch an Mut. Rhia bemerkte, dass Nelly das Interesse eines jungen Soldaten mit freundlicherem Gesicht geweckt hatte. Er bot ihr aus einer kleinen Flasche, die an seinem Gürtel hing, zu trinken an. Dann sagte er etwas zu ihr, und als Antwort zog Nelly stolz den Schal zur Seite, um ihm Pearl zu zeigen.
Etwa eine Meile den Weg entlang gab es plötzlich weniger Bäume, dafür breitere Straßen und anfangs grob gezimmerte flache Häuser. Noch ein Stück weiter wurden daraus Backstein und neues Mauerwerk und sogar eine Gaslampe oder zwei. Kinder, die am Straßenrand spielten, rauchende Männer auf Treppenstufen und Frauen auf Veranden mit Kleinkindern auf der Hüfte beobachteten sie neugierig. An ihren Gesichtern konnte man ablesen, dass sie schon viele solcher Prozessionen erlebt hatten. Rhia bemühte sich, keinen Blicken zu begegnen, denn sie wollte weder Mitleid noch Gleichgültigkeit darin sehen.
Sie gingen an halbfertigen Mauern und Holzrahmen vorbei, dann an eleganten Konstruktionen aus honigfarbenem Stein, als sich die Straße verbreiterte. Später kamen sie an einer großen, mit Rosenbüschen eingefassten Grünfläche mit frischem Gras vorbei, durch dessen Mitte sich ein Weg zog, an dessen Rand junge Bäume gesetzt worden waren. Dies war eine Nation in den Anfängen. Rhia wünschte sich fast, es würde ihr etwas bedeuten.
Ihr Ziel war etwas, was sich die Kaserne nannte, so viel wusste sie. Am nächsten Morgen würde man die meisten von ihnen in die Frauenfabrik an einem Ort namens Parramatta bringen. Rhia war offensichtlich keinem privaten Dienst zugeteilt worden, obwohl Mr Reeve ihr versichert hatte, er hätte sie als Bedienstete angefordert. Sie wusste, dass er sich keine Angestellten leisten konnte. Und er hätte ihr niemals den Respekt gezollt, sie seine Assistentin zu nennen.
Die Kaserne lag gegenüber des Parks. Das Gebäude überragte die hohen Einfassungsmauern und besaß einen gepflasterten Innenhof, dessen Geometrie streng, aber elegant war. Innen jedoch erwartete sie ein Gefängnis, das in Sachen Vernachlässigung locker mit Newgate mithalten konnte. Die Trennwände bestanden aus unbehandelten Kiefernbrettern, der Boden aus festgetretener Erde und schimmligem Stroh. Die passende Behausung für Vieh. Rhia wollte nur in einer Hängematte liegen oder auf einer Matte oder auch nur auf einer Holzplanke. Wenn sie die Augen schloss, würde das Klingeln in ihren Ohren vielleicht aufhören und die Erde stillstehen.
Die Soldaten verteilten sie auf zwei große offene Zellen. Es gab keine Hängematten oder Matten, nur etwas mehr Stroh, und auf dem Fußboden war nicht genug Platz für sechzig Frauen. Es gab ein kurzes Gerangel um ein Stück Wand, an das man sich lehnen konnte, aber nur ein halbherziges Handgemenge. Niemand hatte wirklich die Energie dazu. Sie hockten da und hörten zu, wie jemand in einer anderen Zelle würgte.
»Das ist kein gutes Zeichen«, sagte Jane.
»Glaubt ihr, es ist das Essen?«, flüsterte Georgina.
»Halt’s Maul«, zischte Jane.
Nach einer Weile tauchte ein bulliger Gefängniswärter mit einem Bart wie der von einem Juden auf und spähte zwischen den Eisenstangen hindurch.
»Glaub
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