Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)
Gefängnisse. Margaret war in Millbank.«
»Bist du bereit mir zu sagen, welcher der ehrbaren Gentleman-Händler in dem Porträt John Hannam sein könnte?«
»Das wäre nicht richtig. Es ist lange her … ich war noch klein. Das könnte ich nicht. Nicht, bevor ich mir nicht sicher bin.«
Mrs Blake kam mit der Teekanne herein. Sie sah aus, als würde auch sie ihn beim Einschenken gleich verschütten.
Juliette stand auf. Sie gehörte hier nicht her. Sie konnte nicht hier sitzen, als sei sie eine von ihnen. Und sie konnte ihm auch keine weiteren Fragen beantworten. Im Flur blieb sie stehen und lauschte der leisen Unterhaltung im Salon. Mr Dillon erklärte, die Neuigkeiten über Laurence wären ein solcher Schlag, dass er nicht mehr klar denken konnte. Er sagte, sie müssten über Rhia sprechen, und Mrs Blake stimmte ihm zu. Der Brief aus Rio habe ihren Entschluss gefestigt, die Unschuld der kleinen Hexe zu beweisen. Natürlich würde Mrs Blake Rhia nie so nennen. Und sowenig Juliette die Irin auch mochte, sogar sie glaubte nicht, dass Rhia Mahoney es verdient hatte, für immer weggeschickt zu werden.
Mr Dillon bat Mrs Blake, ihn bald in seinem Büro aufzusuchen, und sie versprach es ihm.
50
F ISCHGRÄT
27. Juni 1841
Es ist zu schwül, um irgendetwas zu tun. Wir sitzen auf dem Achterdeck im Schatten des Segeltuchs, aber heute hat eine kleine Brise sich einen Weg durch die stickig heiße Luft gebahnt und meinen Kopf so weit gekühlt, dass ich schreiben kann. Kurz nach San Sebastiano ist mir die Tinte ausgegangen, aber ich habe meinen Füllhalter mit Mr Reeves Sepiatusche aufgefüllt. Wie es scheint, bin ich eine ziemlich gute Diebin geworden. Außerdem habe ich beschlossen, einen Brief an Michael Kelly zu schreiben, nur für den Fall, dass er immer noch in Sydney ist.
Die einzige Erholung seit Rio war unser kurzer Aufenthalt vor dem Kap der Guten Hoffnung, aber das ist schon Wochen her. Frisches Wasser und Proviant wurden geladen, einschließlich einer kleinen Ziegenherde, aber von Deck aus war kaum mehr zu sehen als eine felsige Küste und eine Reihe Hütten.
Im Schiffsbauch ist die Atmosphäre vergiftet, und Nora hat so schlechte Laune, dass niemand in ihre Nähe kommen will. Agnes sagt, Nellys Baby macht Nora reizbar. Reizbar! Agnes hat außerdem im Vertrauen erzählt, dass Nora in fünf Jahren drei Babys verloren hat, noch bevor sie abgestillt waren: zwei an die Cholera und das dritte an die Pocken. Das erklärt zumindest teilweise, weshalb sie ein solcher Drachen ist. Nellys kleines Mädchen kam vor mehr als zwei Wochen nachts zur Welt. Nelly wollte Mr Donovan nicht dabeihaben, und was ich so gehört habe, hat die gesamte Messe an der Geburt teilgenommen. Ich bedaure es keineswegs, nicht dabei gewesen zu sein. Margaret sagt, Nelly hätte gebrüllt wie ein eingesperrter Löwe. Doch als ich zum Frühstück kam, lag Nelly stolz wie ein Pfau mit einem winzigen rosafarbenen Menschlein neben sich in ihrer Hängematte. Ich habe geweint. Keine Ahnung, warum. Ihr Name ist Pearl.
Margaret war wieder auf der Krankenstation, was inzwischen normal zu sein scheint. Ihr geht es nicht besser und nicht schlechter. Sie sagt, sie müsste einfach endlich von diesem Eimer runterkommen und feste Erde unter den Füßen spüren. Es ist ihr jedoch gelungen, Mr Donovans Tränken lange genug zu entkommen, um mich letzte Nacht zu besuchen.
Mr Reeve tut so, als sei er mein Freund, und ich tue ebenfalls so, nur um jemanden zum Reden zu haben. Gestern habe ich allerdings zu viel gesagt und bereue es. Ich bin inzwischen die Illustratorin seines botanischen Archivs, das wesentlich präziser geworden ist, seit er den Stift beiseitegelegt hat. Er hat ein paar Andeutungen gemacht, dass ich ihm als Assistentin von Nutzen sein könnte, wenn wir in Sydney ankommen, aber dort würde er für meinen Unterhalt zahlen müssen, sollte ich meine Arbeit im privaten Dienst fortsetzen, und ich merke, dass ihn diese Vorstellung nicht erfreut. Ich wette, er könnte sich das gar nicht leisten, und ich bin immer noch neugierig, woher er überhaupt die Mittel für die Überfahrt hatte. Soweit ich weiß, ist sein Vater verstorben und seine Mutter erledigt von zu Hause aus Flick- und Stopfarbeiten, also kann es sich nicht um Familienvermögen handeln.
Gestern erwachte ich aus einem entsetzlichen Traum, in dem Mr Dillon mich für Laurence’ Tod verantwortlich machte. Ich fühlte mich den ganzen Tag elend und tue es immer noch. Als ich den Glasstopfen aus dem
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