Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)
Eukalyptusbäume. So heißen nämlich diese seltsamen Bäume hier. Sie sind Wächter am Rande der Welt. In jener Nacht erklärte uns die Vorsteherin, dass es hier im House of Female Correction, auch als Frauenfabrik bekannt, drei Klassen von Frauen gibt: Kriminelle, Allgemeine und Bevorzugte. Die Rajah-Frauen sind eindeutig Kriminelle, und als Zeichen hat man uns erneut die Köpfe geschoren. Es war nicht so schlimm wie das erste Mal in Millbank, aber ich hatte gerade erst angefangen, mich weniger wie ein Igel zu fühlen. Ich kann nicht nachvollziehen, wie Männer Stoppeln auf ihrem Kinn aushalten. Es ist, als würde man auf einem Nadelkissen schlafen.
Was das Dreiklassensystem betrifft, so sind die Inhaftierten der Allgemeinen Schicht Frauen, die schwanger geworden sind, nachdem sie als Bedienstete gearbeitet haben. Davon gibt es eine ganze Menge. Die Bevorzugte Schicht hat sechs Monate mit guter Führung durchgehalten und darf das Gelände verlassen, wobei sie bei Einbruch der Dämmerung zurückkehren müssen. Wenn man zu den Kriminellen gehört, arbeitet man von früh bis spät. Wir sind wie die Maschinen der Fabrik und außerdem die Dienstmägde der herrschenden Schicht, der Schließer und Wärter. Die Vorsteherin mit ihrem ausladenden Kiefer gleicht einer Hyäne und steht ihren Kolleginnen in Newgate und Millbank in nichts nach. Mir wird klar, wie viel Glück wir hatten, dass Miss Hayter auf der Rajah unsere Aufseherin war (und, übrigens, Albert hat mir erzählt, dass Captain Ferguson und sie verlobt sind und heiraten wollen!). Ich vermute, auch diese Vorsteherin hat einen Namen und eine Mutter, aber es ist schwer vorstellbar. Sie verwaltet eine Anzahl von Nebengebäuden, zu denen Vorratsscheunen für Wolle und Flachs, sowie Einrichtungen zum Bleichen von Stoffen gehören. Es hat eine Weile gedauert, bis ich es bemerkt habe, aber die Frauenfabrik ist, für einen solch elenden Ort, nicht einmal hässlich anzuschauen. Es handelt sich um drei Stockwerke aus Sandstein mit einem Uhrenturm, einer Kuppel und einem Dach aus Eichenschindeln. Die oberen Fenster sind bleiverglast und die unteren natürlich verriegelt, aber mit Buntglas verziert. Es gibt eine Küche und ein Backhaus, eine Spinnstube und verliesähnliche Aborte. Dort finden diverse verbotene Aktivitäten statt, von Schmuggel bis hin zu heimlichen Treffen mit Soldaten und, wie ich höre, auch mit Frauen.
Im Hauptgebäude nimmt ein Speiseraum mit langen schmalen Tischen und Bänken das gesamte Erdgeschoss ein. Der Fußboden ist mit hellen Brettern ausgelegt, dessen Holz wohl von sogenannten Stringy-Bark-Bäumen stammt. Die Schlafräume, wo ich mich gerade befinde, sind alles andere als neu. Beim Licht der Talgkerze (die erste, die ich stehlen konnte) kann man bloß sehen, dass der Fußboden von Menschen bedeckt ist. Wir schlafen auf Säcken, die wir am Morgen zusammenlegen, und liegen so dicht beieinander, dass man leicht eine Rauferei anzetteln kann, wenn man nachts unvorsichtigerweise ein Bein herausstreckt. Einige der Frauen haben ein paar Schaffellstücke gesammelt und zum Schlafen übereinandergestapelt, doch das Fell ist dreckig und voller Flöhe, so dass ich den harten Fußboden mit Decken vorziehe, auch wenn sie aus der kratzigsten Wolle sind, die man sich nur vorstellen kann. Sie wird hier in der Fabrik gesponnen, und es handelt sich um einen rauen Tweed, der – wohl nicht überraschend – Parramatta-Tuch genannt wird. Ich habe gehört, dass er nach England exportiert wird, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er sonderlich Eindruck macht. Da wirkt sogar Wicklow-Tuch im Vergleich so weich wie Seide, Mamo.
Die Aufseherin, die der Spinnstube zugeteilt ist, ist nicht unfreundlich und beantwortet endlich meine Fragen, jetzt wo sie gesehen hat, dass ich immer noch genauso schnell spinnen kann, während sie leise mit mir spricht. Ich weiß nun, dass der einzige Markt für Parramatta-Tuch in Australien der für Sträflingskleider ist. Ich schätze also, ein Großteil der Einwohner von Sydney trägt sie. Der Stoff ist schwer und natürlich braun und öde, aber er ist warm. Hier in Australien ist Winter, während es in Irland Sommer ist, was mich noch immer verwirrt. Mir ist dauernd kalt.
Man hat uns am Tag nach unserer Ankunft gleich daran gesetzt, die Wolle, die von den Schaffarmen nördlich von Sydney stammt, zu spinnen. Die Siedler werden in Tuch bezahlt, und etwa vier Pfund Wolle ergeben ungefähr einen Meter Stoff. Es bleibt also nicht viel
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