Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)
Schlichtheit Ihrer Kleidung und Ihrem Verhaltenskodex zur Schau.« Er war wie ein Terrier. Er ließ erst von etwas ab, wenn es in Stücke zerfetzt war.
»Wir können eine äußere Erscheinung nicht vermeiden«, erwiderte sie vorsichtig. »Wenn man sich vom Spiegel abwendet, kann man das eigene Spiegelbild immer noch in den anderen sehen.« Wie gut sie das kannte. Er wirkte gedankenverloren, als sie durch die großen mittelalterlichen Türen traten. Das runde Kirchenschiff am Ende des Altarraums, dem sogenannten Chancel, lag fast verlassen da. Die gotischen Fenster des Turmaufsatzes waren so angeordnet, dass die Steinplatten, gewölbten Durchgänge und Marmorsäulen im besten Licht erstrahlten. Natürlich sollte die elegante Symmetrie Gottesfürchtigkeit wecken, doch Antonia fühlte sich gleichermaßen besänftigt.
Mr Dillon führte sie zu einer verzierten Steinbank in einer Nische abseits des Schiffes, und sie saßen einige Augenblicke schweigend da, ehe er zu sprechen begann. »Ich habe Sie hierhergebracht, wo es so friedlich ist, weil das, was ich zu sagen habe, … schwierig ist.«
Antonia wappnete sich innerlich. Was kam nun? »Noch mehr schlechte Nachrichten?«
»Es hat einige Zeit gedauert, die Papiere im Jerusalem ausfindig zu machen, aber mir liegt nun Beweismaterial vor, dass Isaac Fisher und Ryan Mahoney in mindestens zwei Fällen die Unterzeichner auf dem Anheuerungsvertrag des Dreimasters Mathilda sind, und zwar zwischen Kalkutta und Lintin Island. Der Zweck beider Fahrten war es, mehrere Hundert Kisten Opiumharz zu transportieren.«
Antonias Herz wurde so schwer wie Blei. Es erschien ihr unmöglich.
Mr Dillon senkte die Stimme. »Was ich hier jetzt entwerfe, ist reine Spekulation, denn ich habe sonst keine Beweise. Sie erinnern sich vielleicht noch, dass Isaac letztes Weihnachten leugnete, Kenntnis von einem Brief zu haben, den Ihr verstorbener Mann geschrieben hatte?«
»Ja«, flüsterte Antonia, die sich davor fürchtete, was er gleich sagen würde.
»Ich hatte damals den Eindruck, dass er log. Falls nicht, dann verbarg er ganz sicher etwas. Es ist möglich, Mrs Blake, dass Isaac glaubt, der Brief Ihres Mannes könnte ihn belasten. Falls ja, könnte er ebenfalls glauben, dass Ryan sowohl Rhia als auch Laurence erzählt hat, was in dem Brief stand. Er könnte beschlossen haben, dass es sicherer war, Rhia aus dem Weg zu schaffen. Und Sie haben mir selbst erzählt, dass Isaac Fisher Laurence dabei geholfen hat, noch in letzter Minute eine Überfahrt auf der Rajah zu buchen. Es wäre nicht unmöglich gewesen, dafür zu sorgen, dass Laurence auf dem Schiff umgebracht wird. Der Hafen von Rio ist voller Söldner, wenn der Preis stimmt.«
In Antonias Kopf drehte sich alles. Welchen Verrat würde dieser Mann als Nächstes aussprechen? Er musste sich täuschen. »Isaac wäre nicht in der Lage, den Tod dreier unschuldiger Menschen zu veranlassen. Sie kennen Ihn nicht!«
»Ich hoffe, dass ich mich täusche, Mrs Blake. Das hoffe ich von ganzem Herzen. Aber wir wissen beide, dass Isaac Fisher in finanziellen Schwierigkeiten steckt, was ihn bei den Quäkern unbeliebt machen wird, und wenn er von Ihrer Glaubensgemeinschaft verstoßen wird, würde das seinen sicheren Ruin als Händler bedeuten, oder nicht?«
»Ja, aber …« Antonia fiel nichts ein, womit sie Isaac hätte verteidigen können, aber sie konnte einfach nicht glauben, dass er ein Verbrecher war. Er war liberal, ja, aber doch sicher nicht so sehr, dass er sich zu einem unmoralischen Vergehen würde hinreißen lassen. Hätten Isaac und Ryan vom Verkauf von Opium profitiert, woran ließ sich das dann erkennen? Wo war das Geld? »Ich kann es einfach nicht glauben, ehe ich nicht selbst Josiahs Brief gelesen habe.«
Dillon nickte. »Natürlich. Der Brief.« Er schien etwas abzuwägen. Überlegte er, wie viel er ihr sagen sollte? Er zögerte, dann runzelte er die Stirn. »Ich habe herausgefunden, wo dieser sich befindet, indem ich Ryans Anwalt lange genug belästigt habe. Ich habe ihm erklärt, ich bräuchte lediglich seine Hilfe bei einem Artikel, den ich über eins der ältesten Bordelle in St. Giles schreibe, da ich wusste, dass er mit diesem Etablissement vertraut ist. Schnell gab er zu, dass sich in seinem Tresor, zusammen mit Ryans Testament, ein Brief befindet, der den Stempel des Postmeisters in Bombay trägt.«
Antonia hielt den Atem an. »Wird er erlauben …?«
»Er kann das Gesetz nicht brechen, und wir können das auch nicht. Ryans
Weitere Kostenlose Bücher