Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Titel: Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kylie Fitzpatrick
Vom Netzwerk:
stillhalten konnte. Es war Mrs Blakes Idee gewesen, an die Quäker in Sydney zu schreiben und sich nach ihrer Mutter Eliza Green zu erkundigen. Wenn Eliza überlebt hatte, dann war sie jetzt, nach Verbüßung ihrer siebenjährigen Strafe, seit fünf Jahren eine freie Frau.
    Als sie sich beide in der blitzblanken Küche niedergelassen hatten und Beth hinausgegangen war, um die Speisekammer auszufegen, legte Juliette den Brief auf den Tisch. Beide betrachteten ihn einen Moment lang nervös. Ganz unschuldig lag er da auf dem glatten Kiefernholz. Doch sein Inhalt war möglicherweise in höchstem Maße aufwühlend. Mrs Blake war so freundlich und besorgt gewesen, dass Juliette für sie fast ebenso sehr eine Enttäuschung befürchtete wie für sich selbst. Sie hielt sich die Wangen, als das Siegel geöffnet wurde und ein schlichter gelblicher Papierbogen zum Vorschein kam.
    Friends Meeting House
Sydney Town
4. Juli 1840
    Meine liebe Mrs Blake,
bezugnehmend auf Ihren Brief, Ihr Hausmädchen Juliette Green betreffend, konnten wir in den letzten Monaten einige Fortschritte bei der Suche nach dem Aufenthaltsort ihrer Mutter Eliza Green verzeichnen.
    Eliza Green wurde privatem Dienst zugeteilt, nachdem sie vier Jahre in einer Besserungsanstalt für Frauen in Parramatta verbüßt hatte. Dort arbeitete sie in der Wäscherei, wo sie sich um die Wäsche für das Krankenhaus und ein Waisenhaus kümmerte. Soweit wir feststellen konnten, ist Eliza Green unverheiratet, bei guter Gesundheit und jetzt auf einer Schaffarm in Rose Hill in Anstellung, einige Meilen westlich von Sydney.
    Als sie hörte, dass sich ihre geliebte Tochter Juliette nach ihr erkundigt hatte, wurde die Frau von Gefühlen überwältigt und vertraute unserer Quäker-Schwester an (die sie auf der Farm besuchte), dass sie voller Hoffnung sei, nach England zurückzukehren, aber nicht die nötigen Mittel für die Heimreise besäße.
    Sie bat uns, ihre Tochter ihrer tiefempfundenen Liebe zu versichern und ihr die besten Segenswünsche zu übersenden. Ihr brennendster Wunsch sei es, ihre Tochter noch in diesem Leben wiederzusehen. Es vergehe kein Tag, an dem sie nicht an ihre Tochter denke und für sie bete. Als sie hörte, dass ihre Tochter nicht länger im Armenhaus lebt, sondern eine Stelle in einem angesehenen Haushalt gefunden hat, habe sie das sehr getröstet.
    Wir hier vom Kreis der Freunde stehen Ihnen jederzeit zu Verfügung, mit weiterer Korrespondenz denen zu helfen, die des Trostes bedürfen.
    Ihre Anteil nehmende Freundin
    Mary Warburton
    Juliette lachte, dann weinte sie. Und dann schien sie beides zur selben Zeit zu tun und konnte nicht mehr damit aufhören. Sie schlug sich die Hände vor den Mund, damit Mrs Blake sie nicht für hysterisch oder unvernünftig hielt. Mrs Blake jedoch reichte ihr ein makellos weißes Leinentaschentuch und schenkte ihnen beiden Tee nach.
    »Sch, sch. Es ist ganz normal, dass dich dieser Brief überwältigt. Deine arme Mutter. Es ist eine wundervolle Nachricht und große Erleichterung, gleichzeitig ist es frustrierend und schrecklich traurig. Du darfst dich auf keinen Fall irgendwie für ihre Situation verantwortlich fühlen. Ich hoffe, das tust du nicht? Juliette?«
    Aber Juliette wusste einfach, dass sie eben doch mitverantwortlich war. Eliza hatte nur deswegen gestohlen, damit ihre Tochter nicht hungern musste. Ob sie auch die Schuld am Tod ihres Vaters trug, da war sie sich nicht ganz so sicher. Plötzlich überfielen sie wieder die Erinnerungen an jenen schrecklichen Tag, und obwohl sie eigentlich einen vernünftigen Eindruck machen wollte, ließ sie den Kopf in die Hände sinken und weinte bitterlich.

7
    M ERINOWOLLE
    Die Stimmung in der Kneipe war so aufgeheizt wie immer, und die Lafferty-Jungs hatten den Ecktisch belegt und bereits Geige und Flöte herausgeholt. Nur bekannte Gesichter ringsherum. Viele von ihnen waren wie Michael dazu verpflichtet, die letzten Monate ihrer Strafe in privatem Dienst abzuleisten. Sie scherten Schafe, arbeiteten in Steinbrüchen oder Stiefelwerkstätten. Oder sie waren – wie er als Schreiner – in einem der zahlreichen Neubauten in der Macquarie Street beschäftigt. Viele von ihnen würden nie mehr nach Hause zurückkehren, selbst in dem unwahrscheinlichen Fall nicht, dass es ihnen gelang, das Geld für die Heimfahrt zusammenzubekommen. Hatte man erst einmal seinen Entlassungsschein, dann bekam man höhere Löhne als in Irland oder England. Und ein ehemaliger Gefangener, der ein

Weitere Kostenlose Bücher