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Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Titel: Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kylie Fitzpatrick
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kommenden Abend zuwenden, als Will O’Shea zu ihm herübergeschlurft kam.
    Selbst wenn er einen in der Krone hatte, erzählte Will immer noch gute Geschichten. Er war in seiner Jugend in Dublin ein scharf denkender Journalist gewesen, bis er zu viele Kommentare über die Briten in Irland schrieb. Da wurde er kurzerhand festgenommen und in New South Wales abgeladen.
    »Unterwegs zu den Rocks, Mick?« Will hatte den Blick fest auf Michaels Tabakdose gerichtet. Deswegen schob er sie zu ihm hinüber.
    »Aye.«
    »Seltsam still dort.« Will nahm eine Prise Tabak und stopfte sie in seine Pfeife.
    »Aye.« Michael nickte nachdenklich. Das war ihm auch schon aufgefallen. Wenn dort irgendetwas faul war, dann würde er das verdammt noch mal herausfinden. Er war kein Denunziant, aber falls er einen Auftrag dieser Art aus London bekam, würde er sich darum kümmern. »Gib Bescheid, falls du was hörst, ja, Will?«
    Will gluckste in sich hinein und zog an seiner Pfeife. »Hab sonst nichts zu tun.« Sie diskutierten über die Neubauten an der Macquarie Street und waren beide der Meinung, dass das Bauholz aus den Zedernstämmen, die den Hawkesbury River hinuntergeflößt wurden, ganz prächtig war. Als Michael sein Glas geleert und Will seine Pfeife noch einmal gestopft hatte, brach er auf und machte sich auf den Weg zu den Rocks.
    Die Rocks, ein Slumviertel am Ende der George Street, lagen in Sichtweite der Häuser vieler Händler und Unternehmer. Die honigfarbenen Villen thronten oben auf dem Bergrücken und waren damit räumlich so weit wie möglich von den Slums unter ihnen entfernt. Michael Kelly stellte sich vor, dass man dort oben einfach nur den Blick aufs Meer richten musste, um die überfüllten Mietshäuser unten auszublenden. Ein wohlhabender Mann konnte dort leicht vergessen, dass die Behausungen der Armen sowohl im übertragenen als auch im wörtlichen Sinn die Grundlage für seine Festung bildeten.
    Als Michael an den zusammengedrängten, armseligen Hütten, Cottages genannt, im hinteren Rocks-Viertel vorbeikam, befiel ihn dasselbe Unbehagen wie die ganze letzte Woche. Diese Hütten waren aus grob behauenem Zedernholz, Wellblech, Seekisten und Leinwand zusammengestückelt. Es gab keine Regenrinnen und kein Abwassersystem, und die Gassen waren ungepflastert. Alle Arten von Unrat sammelten sich dort an. In dieser Umgebung florierte die Heimarbeit in den Hütten der armen Iren und Engländer. Michael wusste genau, wo Falschmünzer, illegale Pfandleiher und Kreditgeber zu finden waren. In Sydney wetteiferten Fälscher und Gauner sowie Diebe mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Tricks miteinander.
    Immer noch war es in den Rocks verdächtig ruhig. Die Gestalten, die normalerweise abends in Richtung George und Elizabeth Street schlenderten, wo sie nach einer leicht zugänglichen Taschenuhr oder einer nachlässig getragenen Damenhandtasche Ausschau hielten, waren entweder daheim oder, was wahrscheinlicher war, beschäftigt. Ein großer Deal bedeutete, dass jemand aus London oder Kalkutta darin verwickelt war, jemand aus einer der beiden Städte, zwischen denen der Löwenanteil des britischen Silbers verschifft wurde. Wenn es um einen großen Deal ging, dann musste es sich um jemanden handeln, der niemals und unter keinen Umständen seine Identität preisgeben würde. Jemand, der kein Problem damit hätte, neugierige Schnüffler wie Michael zum Schweigen zu bringen. Er würde äußerst vorsichtig sein müssen und durfte sich sein Interesse auf keinen Fall anmerken lassen. Ihn ärgerte es, dass so viele Traditionen und Gewerbe aufgegeben wurden. All das Leiden und die Erniedrigungen machten ihn krank. Und wenn er die Segelschiffe und Dreimaster der East India Company oder von Jardine Mathieson im Hafen von Sydney anlegen sah, dann hätte er sie am liebsten alle mit ihren braven weißen Krawatten am Klüver aufgehängt.
    Michael kam nun zu einer Reihe von etwas besseren Häusern. Dort befanden sich Läden an den Fenstern, die man verriegeln konnte, und die Wände waren aus Hartholzplanken. Frisch gehauen rochen sie schwach nach Eukalyptus, was nach dem verrottenden Gestank der Nachbarschaft in den Rocks eine willkommene Abwechslung bot. Diese Behausungen besaßen Kellerräume, die ursprünglich ausgehoben worden waren, um Lebensmittel vor dem raschen Verderben zu bewahren. In einem dieser Keller verbrachte Michael seine Abende.
    Das betreffende Cottage gehörte Maggie, seiner ältesten Freundin in der Kolonie. Er rechnete

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