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Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Titel: Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kylie Fitzpatrick
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Quäker-Schiff gewesen, das die Seeschlacht ausgelöst hatte, die jetzt in der Nähe von Kanton tobte. Der Kapitän der Thomas Coutts hatte sich geweigert, die Blockade des Pearl River durch die britische Marine, die chinesische Handelsschiffe an der Durchfahrt hindern sollte, als rechtsgültig anzuerkennen. Der Pearl River war der einzige Weg, auf dem man Kanton erreichen konnte, den wichtigsten Hafen im Osten. Die Blakes wollten sich wie alle Quäker aus dem Zwist zwischen dem Kaiser von China und dem Britischen Empire heraushalten. Sie brachten ja nur Baumwolle und Wolle nach Kanton, kein Opium.
    In der Ungestörtheit einer Droschke, umgeben von ihren Kleidersäcken, lehnte sich Antonia zurück und weinte. Ihr Besuch bei dem Kostümbildner war eine gnädige Ablenkung gewesen, aber hier im Halbdunkel allein brauchte sie sich nicht länger zu verstellen. Erst wenn sie das Montgomery-Warenhaus, ihren nächsten Halt, erreichte, musste sie wieder gefasst erscheinen. Selbstbeherrschung war genau wie Wohltätigkeit eine Rüstung, egal, ob echt oder nicht. Darunter lauerten Furcht und Einsamkeit, die immer ihren Glauben und ihre Stärke auf die Probe stellten.
    Als ihr Taschentuch zum Auswringen durchnässt und ihre Augen trocken waren, fühlte sich Antonia ruhiger. Sie riss sich zusammen. Es gab Frauen, die sich in wesentlich größerer Not befanden, die unter erbärmlichen Bedingungen in feuchten, unterirdischen Löchern weggesperrt waren. Einige von ihnen warteten darauf, gehängt zu werden, andere, dass man sie an einen Ort weit weg von ihren Kindern brachte. Der Gedanke, dass durch ihr Wirken das Leiden dieser Frauen vielleicht etwas gelindert wurde, gab Antonia Kraft.
    Sie freute sich, als sie Mr Montgomery hemdsärmelig im Verkaufsraum seines Geschäftes vorfand. Mr Beckwith stand oben auf der Leiter und sortierte Ballen mit perlmuttfarbener Seide und geschmeidigem Kaschmir ein. Hinter der Theke stand mit verkniffener Miene und eng geschnürtem Mieder Grace Elliot, das Ladenmädchen. Antonia war an ihre Allüren gewöhnt. Es war eine Eigenheit der Londoner, dass sie sich von Äußerlichkeiten schnell zu Vorurteilen hinreißen ließen. Die Bewohner des Nordens waren nicht so leicht zu beeinflussen. Sie ließen sich von einem myrthengrünen Unterrock und einem bonbonfarben gestreiften Hut nicht täuschen. Mr Montgomery lächelte ihr so herzlich zu, dass ihr Herz einen Schlag aus dem Takt geriet. »Mrs Blake! Welch glücklicher Zufall, dass ich bei Ihrem Besuch zugegen sein darf. Ich habe Miss Elliot gebeten, Restposten für Sie auf die Seite zu legen. Wartet Ihr Wagen in der Regent Street?« Er wandte sich zu Mr Beckwith um, der die Leiter heruntergeklettert war und Antonia schüchtern anlächelte. »Francis, würdest du bitte die Säcke aus dem Lager holen?«
    Sie waren sich so unähnlich, wie es zwei Herren nur sein konnten. Mr Montgomery war groß und schlank mit üppigem zinnfarbenem Haar und einer Vorliebe für Schneider aus der Savile Row. Es war ungewöhnlich, ihn ohne Jackett zu sehen, und Antonia konnte nicht anders, als die Breite seiner Schultern zu bewundern. Francis Beckwith war klein mit schütterem Haar. Seine schlammfarbenen Anzüge passten ihm nie wirklich. Josiah hatte Beckwith für den Klügeren der beiden gehalten. Er war der Meinung, dass Montgomery ohne Beckwith nicht als König der Stoffhändler gelten würde.
    »Sagen Sie, Mrs Blake, welche Fortschritte haben Sie mit Mr Talbots geheimnisvollem Elixier gemacht? Ich gebe zu, dass auch mich die Sache verblüfft, auch wenn es die Phantasie der Londoner so sehr gefesselt hat wie ein Skandal.« Er sah sie an, als wäre ihre Meinung in solchen Belangen von Bedeutung.
    »Es scheint die neueste Sensation zu sein, nicht wahr?« Fotogenes Zeichnen hatte sie in seinen Bann gezogen, seit Laurence, Josiahs Cousin, ihr seine Experimente mit der Kalotypie gezeigt hatte. Seither hatte sie Laurence bei jedem Besuch gebeten, sie darin zu unterrichten. Immer noch fand sie es außergewöhnlich, dass Licht, das in eine kleine braune Schachtel fiel, auf mysteriöse Weise auf der gegenüberliegenden Seite etwas abbildete. Aber dass man dieses Licht nun auf Papier bannen konnte, wie es mit Fox Talbots berühmter Erfindung geschah, war einfach ein Wunder. Laurence wohnte seit der Nachricht von Josiahs Tod im Haus, und inzwischen hatten sie den gesamten zweiten Stock in ein Kalotypie-Labor verwandelt.
    »Da wir gerade von fotogenen Zeichnungen sprechen, was ist aus

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