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Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Titel: Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kylie Fitzpatrick
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wünschte sich, es würde ihr nichts ausmachen, dass sie die ganze Saison über kein einziges neues Kleid bekommen hatte.
    Als sie schließlich das Handelshaus erreichte, fiel Rhia ihre Nervosität wieder ein. Das Haus der Montgomerys war, mit seinen geschwungenen Facettenfenstern und dem goldenen Schriftzug, mit Abstand der schickste Laden an der Regent Street. Der weltmännische Mr Montgomery würde sie für zu unerfahren halten – oder für zu jung oder zu alt oder zu weiblich. Er würde denken, sie sei bloß eine Närrin mit einem unerreichbaren Traum. Doch dann dachte sie an Nell, die Fischbraterin. Die stand ihre Frau. Also drückte Rhia ihre Mappe fester an die Brust und trat durch die Tür.
    Das Geschäft leuchtete, als wären die Wände, die von Regalen mit unzähligen Ballen Seide gesäumt waren, aus buntem Licht gewebt worden. Leinen und Wolle besaßen eine schlichte, derbe Schönheit, aber Seide, mit ihrem unerklärlichen geheimnisvollen Zauber, erfüllte Rhia erneut mit Verlangen. Kein Wunder, dass die byzantinischen Königinnen und Adelsfrauen ganz versessen auf diese Wunderfaser gewesen waren, die angeblich stark genug war, um als Rüstung zu dienen.
    Eine hagere Bedienstete stand am anderen Ende des Ladenraumes hinter einem Tresen. Sie hatte den Kopf gesenkt, als würde sie etwas lesen, was darunter verborgen war. Als Rhia sich ihr näherte, blickte sie auf und fragte mit unverhohlenem Desinteresse: »Kann ich Ihnen helfen?« Sie war sogar noch dünner als Juliette. Laut Beth aß Juliette sogar mehr Kuchen als Rhia, aber dieses spindeldürre Mädchen besaß die durchsichtige Haut derer, die aus Modebewusstsein hungern. Die Ärmel ihres Kleides waren so schmal geschnitten, dass es verwunderlich war, dass sie sich darin überhaupt bewegen konnte. Das Mädchen inspizierte neugierig Rhias Mantel, als gäben ihre pfeifenputzerdünnen Ärmchen ihr das Recht dazu. Rhia fühlte sich altbacken und ohne jeden Pfiff.
    »Ich möchte gerne Mr Montgomery sprechen«, erklärte sie und hoffte inbrünstig, er sei unterwegs. Das Mädchen ließ den Kopf sinken – wie eine matte Blüte auf dünnem Stängel – und läutete ein Messingglöckchen. Kurz darauf tauchte Mr Montgomery auf, elegant und makellos wie immer.
    »Ah, Miss Mahoney. Wie schön, Sie wiederzusehen. Möchten Sie eine Erfrischung? Miss Elliot kann uns auf dem Spirituskocher einen Tee zubereiten.« Er sah Miss Elliot an, die nicht erfreut darüber schien, für Rhia Tee zu kochen, aber sie verschwand gehorsam durch die Tür, durch die er eben erschienen war. »Ah, wie ich sehe, haben Sie Ihre Zeichnungen mitgebracht. Setzen wir uns doch dort drüben hin.« Er zeigte auf eine Ecke, die mit Diwans für müde Einkäufer ausgestattet war.
    Rhia hockte sich ganz knapp auf die Kante, statt sich richtig zu setzen, und legte ihre Mappe auf den Tisch. Ihr war schlecht. Mr Montgomery saß ihr gegenüber und sah sie erwartungsvoll an. Ihr fiel nichts anderes ein außer: »Also.« Daher knotete sie schnell die Bänder auf, mit denen die Mappe verschnürt war, und breitete dann so viele bemalte Zeichenblätter aus, wie nur auf den Tisch passten.
    Mr Montgomery sagte nichts, während er jeden einzelnen Entwurf in die Hand nahm und die Harmonie von Farbe und Motiv eingehend studierte, ehe er nach dem nächsten griff. Miss Elliot erschien und stellte für Rhia eine Tasse mit Unterteller auf einen Beistelltisch. Anschließend stand sie unschlüssig herum, bis sie schließlich hinter den Tresen zurückkehrte.
    Mr Montgomery begutachtete weiterhin schweigend jede Zeichnung. Ab und an nickte er oder stieß leise Grunzlaute aus, die Rhia nicht interpretieren konnte. Also präsentierte sie ihm einfach immer mehr Material, bis er alles aus der Mappe gesehen hatte. Nachdem sie die Bänder wieder verschnürt hatte, wagte sie es, ihn anzusehen. Ihr Herz sank. Er blickte auf seine Taschenuhr. Sie hatte es versucht. Wenigstens hatte sie nicht gekniffen.
    »Miss Mahoney …« Er zögerte, und Rhia riss sich zusammen. Warum um alles in der Welt sollte er sie einstellen, wenn er aus sämtlichen Pariser Gestaltern wählen konnte. Sie sah ihm direkt in die Augen und verzog die Lippen zu einem Lächeln.
    »Miss Mahoney, diese Entwürfe sind überraschend … gekonnt. Ich hatte nicht erwartet … Ich hatte ein solches Talent bei einer Frau nicht erwartet. Ich muss das überdenken.« Er erhob sich. »Seit dieser unglücklichen Kanton-Geschichte sind die Geschäfte in der Regent Street

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