Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition)

Titel: Am Horizont das rote Land: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kylie Fitzpatrick
Vom Netzwerk:
zu beobachten und herauszufinden, was genau verschifft werden sollte, wenn es sich denn wirklich um eine Unternehmung dieser Art handelte, wie Michael vermutete.
    Calvin nickte nachdenklich. »Ruhig gefällt mir nicht sonderlich – hier in der Gegend erscheint das einfach nicht normal.«
    Michael ging es genauso. »Ich habe da momentan nur so ein Gefühl, mehr nicht.« Er schwieg so lange, wie er es für angemessen hielt, bis er sein eigenes Anliegen zur Sprache brachte. »Dir ist nicht zufällig irgendwas zu Ohren gekommen, was mich interessieren könnte?«
    »Kann ich nicht genau sagen. Hab da selbst ein kleines Projekt, aber dabei handelt es sich um keinen Landsmann von dir.«
    »Ach ja?«
    »Ein Seemann von der Isle of Man, den ich vor ein paar Jahren festgenommen hab, weil er schwarzes Gold geschmuggelt hat. Hab ihm gesagt, wenn ich seine dreckigen Hosen je wieder in meiner Gegend sehe, sorge ich dafür, dass er an den Galgen kommt.«
    »Dann ist er also zu seiner eigenen Hinrichtung zurückgekommen?«
    »Ich glaube, er ist auf der Flucht. Ich kann ihm nichts nachweisen, also habe ich ihn bloß für eine Nacht eingesperrt, als er vor lauter Rum nicht mehr bei Sinnen war. Einer meiner Männer hat sich ein bisschen mit ihm unterhalten und mir danach erzählt, der Kerl hätte teuflische Angst und ihm geschworen, nichts mit dem Tod des Quäkers vor Bombay zu tun zu haben.«
    »Ach ja? Ist das zufällig ein Quäker, der keines natürlichen Todes gestorben ist?«
    »Korrekt. Ein Quäker, der keines natürlichen Todes gestorben ist und der anscheinend etwas wusste, was er besser nicht gewusst hätte.«
    »Ein Händler?«
    »Baumwolle.«
    »Hat er einen Namen?«
    »Ich arbeite dran.«
    »Haben deine Männer ein Auge auf die Buchten im Süden, Cal?«
    »Ich hab ja nicht mal genug Männer, um den Hafen zu bewachen, Michael. Warum?«
    »Könnte sein, dass sich unser Mann in einer von ihnen versteckt …«
    »Ist das der einzige Grund?«
    »Ich weiß es nicht. Aber wenn ich es weiß, erzähle ich es dir auf jeden Fall.«
    »Das erwarte ich auch. Und nun, da Maggie Long offensichtlich nichts dagegen hat, ihren guten Tropfen an dich zu verschwenden, sollte ich, in Anbetracht der kommenden Feiertage, vielleicht dafür sorgen, dass du noch eine Weile nicht ausnüchterst?«
    »Ich würde es sehr zu schätzen wissen, Calvin.«
    Die brennende Sonne stand zum Glück schon tief, und die beiden Männer auf der Veranda sahen zu, wie das Meer sich von klarem Grün in Tintenblau verwandelte und die gespenstischen weißen Säume der Flut glitzerten, als sie auf den Sand stürzten. Die Klippen südlich vom Hafen leuchteten im Abendlicht, während aus der stacheligen Silhouette einheimischer Sträucher entlang der Küste der nächtliche Chor der Zikaden erklang. Eine Horde Flughunde senkte sich auf einen kleinen Papayahain herab, wobei die Palmwedel wackelten, als würden sie von einem heftigen Windstoß geschüttelt.
    An den Tagen, an denen Michael in guter Verfassung war, fühlte er sich gleichzeitig privilegiert und bestraft dadurch, ein Land von solcher Wildheit und so unberührt von der verschmutzenden Industrie des Menschen erlebt zu haben. Er fragte sich, ob er es wohl vermissen würde, wenn er nach Hause zurückkehrte.

22
    M ISTELZWEIG
    Über Nacht war frischer Schnee auf den Markt von Covent Garden gefallen und verwandelte ihn unter dem Licht der Kutschenlampen in überirdisches Weiß. Plumpuddings, Pfefferkuchen und kandierte Mandeln sahen im künstlichen Gaslicht noch besser aus. Sie funkelten einladend in ihren kleinen Papierförmchen. Rhia kaufte etwas Pfefferkuchen und blieb stehen, um die spazierengehenden Pärchen und die jungen Männer zu beobachten, die Oden ans Bier sangen. Die Bäume waren mit Schnee überzuckert und das Lampenlicht durch den Nebel gedämpft. Alles wirkte ein bisschen wie verzaubert, bis ein paar Gassenkinder auftauchten, die mit einer toten Ratte spielten.
    Als Laurence ihr den Weg zum Red Lion beschrieben hatte, hätte Rhia ihn beinahe gefragt, ob er sie begleiten wollte. Doch er war bereits für den Abend in der Stadt gekleidet, beziehungsweise hatte er seine Haare geölt, was ihn etwas weniger zerzaust wirken ließ.
    Die Taverne befand sich in einer der Gassen, die vom Platz abzweigten, und es roch dort nach Holzfeuer und Glühwein. Rhia blieb kurz stehen, nachdem sie durch die niedrige Tür getreten war, damit ihre Augen sich ans Kerzenlicht gewöhnen konnten. Von einem Balken an der Decke hing

Weitere Kostenlose Bücher