Am Horizont die Freiheit
denn niemand zweifelte daran, dass Joan dies in zwei Tagen sein würde. Bevor er als Meister arbeiten konnte, musste er mehrere Jahre als Geselle tätig sein. Doch der erworbene Titel war endgültig. Als er am Nachmittag seinen Bruder abholte, um den Tag gemeinsam zu feiern, beglückwünschten ihn auch die Gießer. Alle wussten, wie wertvoll sein Werk war.
Von Felip war nichts zu hören. Am selben Tag, an dem ihn Mosén Corró hinausgeworfen hatte, hatte er ihn auch beim Gerichtsdiener der Stadt angezeigt. Vielleicht saß er im Gefängnis. Doch niemand machte sich Sorgen über sein Schicksal.
In der Nacht des 26 . Dezember konnte Joan vor Aufregung nicht schlafen. Er war noch keine siebzehn Jahre alt und würde den Titel eines Buchbindermeisters erhalten. Das war etwas ganz Außergewöhnliches. Am nächsten Tag würde er sein bestes Wams anziehen und sein Meisterstück stolz zur La-Trinitat-Kirche tragen.
Doch dieser Augenblick kam nie.
47
N ach dem Frühstück machte sich Joan fertig, sein Meisterstück zu nehmen und mit Mosén Corró zur La-Trinitat-Kirche zu gehen, als man Rufe am Eingang des Buchladens hörte.
»Im Namen der heiligen Inquisition, macht auf!«
Allein schon der Name verbreitete größten Schrecken. Joan beobachtete den Herrn, der so aussah, als würde er gleich vor Angst zusammenbrechen. Alle waren wie gelähmt und starrten einander fragend an.
»Was können sie wollen?«, fragte der Buchhändler mit kraftloser Stimme.
Joan sagte sich, dass die Inquisition nichts Gutes bringen konnte. Kurz darauf drang ein Gerichtsdiener, dem mehrere Bewaffnete folgten, in die Werkstatt ein.
»Mosén Corró?«
»Das bin ich«, sagte der Herr.
»Ihr seid im Namen des heiligen Offiziums festgenommen«, gab der Gerichtsdiener bekannt. »Ihr und alle, die in Eurem Haus leben. Das Gebäude wird versiegelt. Niemand darf es betreten, bis Bruder Espina, der Großinquisitor, etwas anderes anordnet.«
»Aber …«, wollte der Buchhändler protestieren.
»Was Ihr zu sagen habt, müsst Ihr dem Inquisitor mitteilen. Ich führe nur Anordnungen aus.«
Die Soldaten räumten rücksichtslos die Werkstatt leer. Das Gleiche taten sie in den oberen Stockwerken, von wo man die Schreie der Frauen hörte. Joan drückte sein Meisterstück an die Brust und folgte seinem Herrn zur Tür.
Als er durch den Laden lief, blieb er plötzlich regungslos stehen. Dort war Felip. Joan hatte angenommen, dass er im Gefängnis saß, und stattdessen kam er mit den Soldaten der Inquisition!
»Du?«, rief Mosén Corró.
»Ich habe Euch gesagt, dass Ihr dafür büßen werdet«, fuhr ihn Felip mit einem feindseligen Lächeln an. Dann wandte er sich an Joan: »Man darf nichts von hier mitnehmen.«
Er riss ihm das Meisterstück aus der Hand.
»Das gehört mir!«, protestierte Joan laut und wehrte sich.
»Ist das das berühmte Buch, das du heute den Meistern vorstellen wolltest?« Felip lächelte bösartig.
Joan fragte sich, woher der andere das wusste und welche Rolle er bei dem Überfall spielte. Die Soldaten jagten die Handwerker hinaus, und mit ihnen ging der Hausherr. Joan klammerte sich an sein kostbares Buch.
»Also, es ist von der Inquisition beschlagnahmt«, teilte ihm Felip mit. »Wusstest du nicht, dass die Corrós Konvertiten sind?«
»Konvertiten?«, rief Joan verblüfft.
Diese Neuigkeit erstaunte ihn dermaßen, dass er das Buch losließ. Die Herrschaften hatten sich bei allem als gute Christen verhalten.
»Ja. Beide, er und sie. Gleich und Gleich gesellt sich gern.« Felip lächelte triumphierend. »Ihre Urgroßeltern haben sich nach dem Judenmassaker von 1391 bekehrt. Doch wie du sehen kannst, haben sie sich nicht mit Altchristen verschwägert.«
»Aber sie erfüllen ihre Pflichten als gute Christen.«
»Wir werden ja sehen, ob sie das beweisen können.«
»Auf jeden Fall kann die Inquisition nicht mein Buch beschlagnahmen«, betonte Joan und versuchte, es wieder an sich zu reißen. »Du weißt genau, dass der Lehrling sein Meisterstück selbst bezahlt und dass es ihm gehört. Außerdem bin ich als Altchrist frei von jedem Verdacht.«
»Die Inquisition tut, was sie will.« Joan merkte, dass der große Bursche diesen Augenblick genoss. »Und du musst noch deine Blutsreinheit beweisen,
remensa
.«
»Was hast du mit dem heiligen Offizium zu tun? Wer gibt dir diese Macht?«
»Ich bin Familiar der Inquisition. Das war ich schon, bevor mich dieser Konvertit hinausgeworfen hat. Bruder Espina schätzt mich sehr. Ich
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