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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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Inhalt.«
    »Gut. Was hast du noch von Arnau de Vilanova kopiert?«
    Der Junge zögerte.
    »Was noch?« Der Inquisitor verlor die Geduld.
    »Ich erinnere mich an eines mit dem Titel:
Tractatus de tempore adventus Antichristi

    Der Qualifikator prüfte seine Dokumente und verkündete triumphierend: »Es behandelt die Ankunft des Antichrist und wurde von den Theologen der Pariser Sorbonne verworfen. Die Theologenversammlung von Tarragona hat angeordnet, es zu verbrennen. Es folgt der Denkrichtung des Joachim von Fiore und kritisiert den Aufbau der Kirche. Wir hatten geglaubt, dass es keine Abschriften mehr gäbe!«
    »Ein Ketzer!«, rief Bruder Espina zufrieden. »Was noch?«
    »Nichts weiter von diesem Autor.«
    »Sag uns die Titel anderer Bücher, selbst wenn du den Autor nicht kennst!«
    Wieder bekam Joan panische Angst. Mit dem, was er sagte, schadete er seinen Herrschaften!
    »Nun sprich schon!«
    »An mehr erinnere ich mich nicht!«, rief er verängstigt.
    »Es ist besser für dich, dass du redest!«, sagte der Qualifikator und schlug ihm mit der Hand auf die Schulter.
    »Ich erinnere mich nicht!« Joan schloss die Augen und ballte die Fäuste. »Ich erinnere mich nicht! Ich erinnere mich nicht!«
    »Pass auf, Junge«, sagte der Inquisitor nach einer Pause, in der man das Schweigen hören konnte, in freundschaftlichem, väterlichem Ton. »Es ist besser, dass du uns sagst, was wir wissen wollen. Das tun alle, bevor sie in den Keller gehen oder danach. Wir können dir die Gelenke ausrenken, dir die Augen ausreißen, dich mit Eisen verbrennen … Der Buchbindermeister hat geredet, und auch dieser Maure, mit dem du gearbeitet hast. Wir wissen schon, was wir wissen wollen, und du sollst es lediglich bestätigen. So stellen wir fest, ob du ein guter Christ bist.«
    Joan erschauderte. Hatten sie Abdalá gefoltert?
    »Ich erinnere mich nicht!«
    »Bringt ihn in den Keller!«, sagte der Inquisitor. »Inzwischen soll ein anderer herkommen.«
     
     
    Joan stand trotz der im Saal herrschenden Kälte der Schweiß auf der Stirn, als sie ihn hinausstießen und mehrere Stufen hinunterschleiften. Nachdem sie durch ein paar schmale unterirdische Gänge gelaufen waren, betraten sie einen von Fackeln erleuchteten Raum.
    »Das hier ist der Henker«, sagte der Beamte und wies auf einen finster aussehenden Mann.
    Dieser zeigte ihm als Erstes die einzelnen Instrumente: eine Folterbank, auf der man den Angeklagten festband und ihm die Gliedmaßen auseinanderzog, bis man ihm die Gelenke brach; Stricke, mit denen man das Opfer an der Decke aufhängte, um es dann plötzlich loszulassen, was ihm schreckliche Schmerzen zufügte. Es gab auch ein mit Glut gefülltes Kohlenbecken und rotglühende Eisen. Auf einmal nahm der Henker, dessen Hand mit einem dicken Handschuh geschützt war, eine dieser Eisenstangen, und mit einer raschen Bewegung streckte er das glühende Ende in Richtung von Joans Gesicht. Dieser sprang zurück und schrie vor Entsetzen laut auf. Der Mann trieb ihn in die Enge, bis Joans Rücken gegen die Wand stieß. Joan sah, wie das rotglühende Eisen zu ihm vorschnellte, und er spürte die Hitze im Gesicht.
    »So haben wir dem Mauren ein Auge ausgebrannt«, sagte der Beamte. »Dann haben wir ihn an die Decke gehängt und ihn mehrmals plötzlich losgelassen. Er hat wie ein Schwein gequiekt, uns aber alles gesagt.«
    Abdalá! Joan dachte an seine sanften blauen Augen. Sie hatten ihn bestimmt umgebracht. Der Greis hätte diese Folter nicht überlebt.
    »Du wirst uns auf alle Fälle erzählen, was wir wissen wollen – vorher oder nachher«, sagte der Mann weiter. »Aber es ist ratsam für dich, es vorher zu tun. Es wäre schade, wenn ein guter altchristlicher Junge fürs ganze Leben zum Krüppel wird und ein Auge verliert. Zum letzten Mal und bevor wir ernsthaft anfangen: Hast du dein Gedächtnis wiedergefunden?«
    Joan konnte den Blick nicht von dem glühenden Eisen abwenden, das ihn weiter bedrohte. Er fühlte entsetzliche Angst. Er schwitzte. Bekümmert dachte er an Abdalá und war unfähig, klar zu überlegen. Er war am Ende.
    »Ja«, sagte er und kämpfte die Tränen herunter. »Ich werde alles sagen.«

49
    J oan verbrachte die nächsten Stunden allein in einer lichtlosen Zelle, schweißgebadet und vor Kälte zitternd. Er dachte an den Schrecken, den jene Foltergeräte verbreiteten, und spürte an der Netzhaut seiner Augen die Hitze des rotglühenden Eisens. Er hatte von Menschen gehört, die Jahre in solchen Zellen als

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