Am Horizont die Freiheit
kostete beinahe so viel wie fünfzig Sklaven. Ein ganzes Fischerdorf.
Miquel Corella war Hauptmann der päpstlichen Truppen, und Joan stellte fest, dass die Leute beiseitetraten, wenn sie vorüberkamen. Manche grüßten ihn sogar ehrerbietig. Trotz der Schwierigkeiten mit seinem Tier genoss Joan die lebendige Atmosphäre der Stadt, die ebenso wie Neapel nichts von der Invasion wissen wollte, die im Norden vorbereitet wurde.
Miquel Corella erwies sich als großartiger Gastgeber. Seine Gattin, eine junge, heitere und schöne Römerin, trat gewandt als Hausherrin gegenüber den Dienstboten auf, die die Wachteln, die übrigen Speisen und den Wein auftrugen. Nie zuvor hatte er sich an einen so gutgedeckten und exquisiten Tisch gesetzt.
Corella bat ihn, zu erzählen, was ihn nach Rom geführt habe, und Joan berichtete seine Erlebnisse, wobei er nur ganz persönliche Einzelheiten ausließ.
Offenbar beeindruckten den Valencianer nicht die Darstellungen der Ungerechtigkeiten, Grausamkeiten und Morde, dafür aber interessierte er sich sehr für Joans Kenntnisse als Artillerist.
»Wer weiß, vielleicht willst du eines Tages für uns, die Borgias, arbeiten«, sagte er, als wäre er ein Mitglied der Familie. »Hier müssen wir unseren Landsleuten vertrauen. Es gibt sehr mächtige römische Familien, die noch mehr Macht haben wollen, und sie betrachten uns als Eindringlinge. Du weißt nie, wann sie auf die andere Seite überwechseln. Die aragonische Dynastie in Neapel leidet an demselben Übel, obwohl sie seit noch mehr Jahren dort herrscht. Du wirst schon sehen, wenn die Franzosen kommen, kriechen die Anhänger der Anjous selbst unter den Steinen hervor.«
Das Gespräch wandte sich einem anderen Thema zu. Joan stellte fest, dass sich bei Corella unter dem Äußeren eines rohen Militärs ein großer Leser verbarg.
»Hier in Italien kann man kein Edelmann sein, ohne dass man etwas von Kunst und Literatur versteht«, sagte er, als wollte er sich entschuldigen.
Miquel Corella war begeistert, als Joan
Tirant lo Blanc
erwähnte.
»Den habe ich als junger Mann in einer Handschrift gelesen«, erklärte er. »Aber ich wusste nicht, dass es eine gedruckte Ausgabe gibt.«
»Sie wurde vor vier Jahren in Valencia gedruckt«, teilte ihm Joan mit. »Auf der Galeere habe ich ein neues Exemplar.«
»Du hast einen
Tirant lo Blanc
«, rief der Valencianer. Seine Wangen waren vom Wein gerötet. »Den kaufe ich dir für jeden Preis ab, den du verlangst! Hier gibt es viele Landsleute, die es begeistern würde, ihn zu lesen.«
Joan sah ein, dass es zu spät war, um zu erklären, dass das Buch eigentlich nicht ihm, sondern dem Admiral gehörte.
»Ich habe es noch nicht gelesen«, entschuldigte er sich.
»Nenne einen Preis und verkaufe es mir, wenn du einen Freund behalten willst«, herrschte ihn Corella ungestüm an. »Vilamarís Galeeren fahren nach Spanien und zurück, und dort kannst du so viele Bücher kaufen, wie du willst.«
Der junge Mann begriff, dass der Valencianer nicht mit einer Ablehnung einverstanden sein würde. Deshalb kam er auf den Einfall, einen derart hohen Preis zu nennen, dass der andere von alleine verzichtete.
»Zwanzig Dukaten.«
»Ich gebe dir fünfundzwanzig«, trumpfte der Hauptmann der päpstlichen Truppen auf und streckte ihm die Hand hin, um das Geschäft abzuschließen.
Joan staunte mit offenem Mund. Er hatte Antonello sechs Bücher für zweiundzwanzig Dukaten abgekauft, und Corella freute sich, wenn er ihm fünfundzwanzig für eines bezahlte. Während er ihm die Hand drückte, dachte er an einen anderen Druck. An den des Stricks um den Hals. Vilamarí würde ihn hängen, wenn er dahinterkam, dass er ihn bestahl. Aber es war der einzige Ausweg, den Joan für diese sonderbare Bedrängnis sah, in die er hineingeraten war.
83
I n dieser Nacht kehrte Joan mit umnebeltem Kopf auf die
Santa Eulalia
zurück, und das lag nicht nur an dem guten Wein, den ihm Corella eingeschenkt hatte. Fünfundzwanzig Dukaten! Noch nie im Leben hatte er so viel Geld auf einem Haufen gesehen. Er konnte Antonello ein Exemplar von
Tirant lo Blanc
für weniger als dreieinhalb Dukaten abkaufen, und dieser würde ihm dazu noch eine Provision geben. Mit solchen Gewinnen könnte er womöglich den Betrag zusammenbringen, um seine Mutter freizukaufen, wenn er sie fand. Keinesfalls wollte er auf dieses Geld verzichten, selbst wenn er dabei sein Leben aufs Spiel setzte.
Er beschloss, das Buch des Admirals auszuleihen und es
Weitere Kostenlose Bücher