Am Horizont die Freiheit
des letzten Males. Nachdem ihr Verlangen den Höhepunkt erreicht hatte, versank Joan in einen leichten Schlaf, aus dem er erst erwachte, als er etwas Feuchtes an seiner Brust spürte. Anna weinte lautlos.
Er erschrak und wusste nicht, was er tun sollte. Doch auch seine Augen füllten sich mit Tränen, die ihm bald über die Wangen liefen.
»Sorgt Euch nicht, Liebste«, sagte er schließlich. »Wir werden eine Möglichkeit finden, wie wir zusammen sein können.«
»Nein, Joan«, widersprach sie, trotz der Tränen ruhig und entschlossen. »Ich werde Euch nie wiedersehen. Ich werde Riccardo nicht noch einmal verraten.«
»Aber Ihr liebt mich!«, entgegnete er. »Und heute habe ich Euch besessen. Jetzt seid Ihr meine Frau, es gibt keinen Weg zurück. Ihr seid mein, und ich werde nicht auf Euch verzichten.«
»Nein, Joan. Ihr irrt Euch.« Sie blieb ruhig und sprach gelassen und entschieden. »Ich bin nicht Eure Frau. Ich bin die Ehefrau Riccardo Luccas. Es stimmt, dass ich Euch liebe und dass mir nichts so sehr gefallen hätte, als Euch zu gehören, aber ich bin nicht die Eure. Leider gibt es wichtigere Dinge auf der Welt als unsere Liebe.«
Tiefes Schweigen trat ein. Joan wollte nicht antworten. Ihn erschreckte die Sicherheit und Ruhe, mit der sie sprach, und er fürchtete allmählich, dass dies tatsächlich ihr letztes Mal wäre.
Joan wurde von mehrmaligem Klopfen an Holz geweckt. Er spürte noch die warme Berührung von Annas Körper neben ihm. Das Klopfen wiederholte sich, und sie fuhr aus dem Schlaf hoch.
»Es ist der Herr!
Signore
Lucca!«, rief einer der Diener aus dem Haushof. »Öffnet ihm und zieht Euch an. Er wird uns brauchen!«
»Mein Mann!«, rief Anna und blickte Joan erschrocken in die Augen. »Ihr müsst fort!«
Man hörte die große, auf die Straße gehende Tür quietschen, und Joan zog sich in aller Eile an. Der Morgen graute. Sobald Anna sich angezogen hatte, sah sie zur Zimmertür hinaus.
»Überall sind Diener!«, sagte sie. »Ihr könnt nicht in den zweiten Stock hochsteigen. Man würde Euch auf der Treppe entdecken. Euch würde keine Zeit bleiben, das Seil hinabzuwerfen und nach unten zu klettern.«
Sie spähte eilig durch die Jalousien auf die Straße und setzte hinzu: »Mein Mann holt uns ab. Gewiss hat er die Wachen eines Tores bestochen, und er hat Wagen mitgebracht, um alles aufzuladen, was wir wegbringen können, bevor der Pöbel das Haus überfällt. Wir werden wohl auf einem Schiff fliehen.«
Im ganzen Haus hörte man Rufe und eiliges Hin und Her.
»Was soll ich tun?«, fragte Joan und legte instinktiv die Hand an den Degengriff.
»Er darf Euch nicht in unserem Schlafzimmer finden!«, sagte sie und blickte ihm in die Augen. »Ich gehe hinunter, empfange ihn und helfe beim Einpacken. Das verhindert vorläufig, dass er hochkommt. Wenn alle beschäftigt sind, lauft Ihr in größter Eile die Treppe hinunter und rennt auf die Straße. Wenn sie Euch sehen, bleibt immer noch der Verdacht, dass Ihr eindringen konntet, um zu stehlen oder eine Dienstmagd zu sehen.«
Sie öffnete die Tür einen Spaltbreit und spähte wieder hinaus. Als sie sich umdrehte, war ihr Blick halb besorgt und halb traurig.
»Lebt wohl, Joan«, sagte sie. »Der Herrgott gebe Euch eine gute Frau.« Sie verließ das Zimmer.
96
D ieses Lebewohl war für Joan wie ein Todesurteil. Anna ging fort, vielleicht nach Frankreich und für immer. Nicht nur, dass sie es abgelehnt hatte, ihn wiederzusehen. Er wüsste auch gar nicht, wo er sie finden könnte. Dann stellte er sich vor, wie Anna ihren Ehemann im Hof empfing, die Arme um seinen Hals warf und ihn küsste, und ihn überwältigte wilde Wut. Er fürchtete nicht um sich selbst. Seine einzige Angst war, dass er Anna schadete, und er bemühte sich daher, ihren Anweisungen zu folgen. Durch den Türspalt hörte er laute Rufe, Türenknallen und heftige Geräusche, wie sie bei einem überstürzten Aufbruch entstehen. Er sah, wie Diener vorbeiliefen und Sachen schleppten. Er sagte sich, dass sie in wenigen Augenblicken ins Schlafzimmer kommen und auf ihn stoßen würden. Und das hier war der einzige Ort, wo sie ihn auf keinen Fall finden durften. Er nutzte einen Moment, als niemand im Flur war, und trat hinaus, ohne sich zu beeilen. Er lief zu der Treppe, die den großen Innenhof umgab, und stieg hinab. Ein Diener, der hochkam, ließ ihn vorbei, blieb aber überrascht stehen und starrte ihn reglos an. Joan legte drohend die rechte Hand auf den Degengriff und lief
Weitere Kostenlose Bücher