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Am Horizont die Freiheit

Am Horizont die Freiheit

Titel: Am Horizont die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Molist
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hieß, er sei der beste Italiens. Er lag in einer Bucht und bildete einen großen Halbkreis, den eine kleine Halbinsel im Süden beinahe vollständig abschloss. Auf der Halbinsel ragte ein mächtiger Turm empor, der die Einfahrt beschützte, und am anderen Ende erhob sich ein weiterer, noch höherer und stärkerer Turm, der als Wehr- und Leuchtturm diente.
    Der Hafen hatte vier große Molen, hinter denen sich eine wohlhabende Stadt zusammendrängte. Sie war von dicken Mauern umgeben und stieg die Berge hinauf. Joan hatte nie einen so großen und so gutgeschützten Hafen gesehen.
    Ein Matrose deutete auf ein großes Gebäude, das am Ende der Mole lag. Das war der Sitz der Banca di San Giorgio. Der junge Mann bekreuzigte sich und betete, dass ein Wunder geschehen sollte und er dort, wo der Buchhändler gescheitert war, eine Spur fand.
    Sobald das Schiff angelegt hatte, sprangen Joan und Niccolò an Land und schlossen sich der Menge an, die aus Kaufleuten, Sklaven und Waren befördernden Trägern bestand. Die Stadt roch nach Meer und Bratfisch. Sie folgten den Hinweisen eines Seemanns, ließen den Palazzo San Giorgio rechts liegen und liefen auf der belebten Via di San Lorenzo weiter, an der es viele unterschiedliche Handwerkerläden gab. Nachdem sie an der schönen, aus weißen Steinen errichteten Kathedrale vorbeigekommen waren, gelangten sie in die Gegend der Porta Soprana, eines monumentalen Stadttors, das sich zwischen zwei hohen und formvollendeten, in die Mauern Genuas eingebauten Türmen öffnete. Dort konnte er mühelos die Buchhandlung Fabrizio Colombos finden, dem Joan einen Brief Antonellos mitbrachte, in dem dieser ihn vorstellte.
    Der Buchhändler war ungefähr sechzig Jahre alt, hatte graues Haar und eine Brille. Seine Buchhandlung wirkte viel älter als die Antonellos. Sehr wahrscheinlich hatte er sie geerbt. Joan dankte ihm von ganzem Herzen für das Interesse, das er bei der Suche gezeigt hatte, und er erklärte ihm, er könne sein Gewissen nicht beruhigen, wenn er nicht persönlich Nachforschungen anstelle.
    Der Buchhändler war herzlich und verständnisvoll. Am nächsten Tag begleitete er sie zur Banca di San Giorgio. Dort fragte er nach dem Beamten, der das Archiv der in Bastia eingenommenen Steuern beaufsichtigte. Nach einer längeren Wartezeit musste Joan einige Dukaten einsetzen, um den Mann zu überzeugen, dass er die inzwischen elf Jahre alten Aktenbündel noch einmal öffnete. Als der Beamte mit der Summe zufrieden war, legte er die Rechnungsbücher und mehrere Pergamentumschläge auf einen großen Tisch.
    In den Registern des Sklavenhandels entdeckten sie, dass in der ersten Jahrhunderthälfte außer den Muslimen die orientalischen Sklaven überwogen, wozu auch orthodoxe Griechen gehörten, in den letzten Jahren überwogen jedoch farbige Sklaven aus Nordafrika und Türken. Es gab auch Sarden und Korsen, die man bei den Aufständen auf beiden Inseln gefangen genommen hatte. In den Registern wurde die Religion der Sarden und Korsen nicht erwähnt, doch sie waren Katholiken, und die Zivil- und Kirchenbehörden übergingen diese Tatsache.
    Außerdem gab es Sklaven, die aus den Ländern der Krone Aragoniens stammten – Kriegsgefangene, die ihr Lösegeld nicht bezahlen konnten. So etwas war allerdings in den letzten Jahren nicht mehr vorgekommen. Doch von Joans Familie gab es keine Spur.
    »Es gibt keine Katalanen in den Registern der Jahre 1484 und 1485 «, bestätigte Fabrizio am Tagesende. »Weitermachen ist zwecklos.«
    Joan war niedergeschlagen. So viele Jahre hatte er auf den Moment gewartet, in dem er die Suche nach seiner Familie beginnen konnte, und nun stieß er auf eine unüberwindliche Mauer.
    In der ganzen Nacht konnte Joan kaum ein Auge zutun und dachte über seinen Misserfolg nach. Er konnte nicht glauben, dass ihn Admiral Vilamarí belogen hatte, als er sagte, wo er die Gefangenen aus Llafranc verkauft hatte. Er konnte sich unmöglich geirrt haben. Gab es Geschäfte in Bastia, die die Buchführung der Bank nicht berücksichtigte? Vielleicht musste er nach Korsika fahren und jemanden suchen, der sich an einen elf Jahre zurückliegenden Sklavenverkauf erinnerte. Doch der gewissenhafte Fabrizio hatte sich schon erfolglos darum bemüht.
    Immer wieder grübelte er über diese Fragen nach, und manchmal betete er auch. In anderen Momenten übermannte ihn ein leichter Schlaf, aus dem er erschrocken hochfuhr. Wo mochten sie sein? Wie konnte er jemanden entdecken, der imstande war, ihn

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