Am Mittwoch wird der Rabbi nass
Mann, wenn eigene Gefühle dabei im Spiel sind», erklärte Muntz nüchtern.
«Sie würden doch auch kein Familienmitglied behandeln, nicht wahr?», fragte Ed Kantrovitz.
«Was ich dagegen habe, ist, dass es keinen guten Eindruck macht», sagte Muntz. «Da ist ein Mann, über den Sie rechtens verärgert sind, und Sie verschreiben ihm ein Medikament, das seinen Tod herbeiführen kann. Ja, mehr noch, Sie verschreiben es ihm nicht nur, Sie telefonieren das Rezept auch noch durch, damit er es möglichst schnell bekommt. Also, das macht wirklich keinen guten Eindruck, jedenfalls nicht auf den Mann auf der Straße. Und wenn es zum Prozess kommt, sitzt nämlich dieser Mann in der Jury.»
«Aber Mr. Kestler war krank, und ich dachte … ich müsste ihm helfen», wehrte sich Dr. Cohen. «Ich konnte doch nicht einfach ablehnen!»
«Aber genau das hätten Sie tun sollen», widersprach Muntz. «Sie waren nicht für ihn verantwortlich. Sie hätten ihm raten sollen, die Polizei anzurufen. Die hätten ihm einen Krankenwagen geschickt und ihn ins Krankenhaus gebracht.»
«Und wenn sich sein Zustand unterwegs verschlimmert hätte, oder wenn er sogar gestorben wäre …»
«Er wäre nicht gestorben. Und wenn, dann wäre es nicht Ihre Schuld gewesen.»
Sie diskutierten hin und her, jedoch mit gedämpfter Stimme, da sie schließlich in einem öffentlichen Lokal saßen, blickten immer wieder in die Runde, um zu sehen, ob jemand zuhörte. Und kamen zu keinem Ergebnis. Dr. Cohen beharrte darauf, dass es seine Pflicht sei, jeden zu behandeln, der ihn um seine Hilfe bat und dem er aufgrund seiner Ausbildung helfen konnte. Während Muntz und Kantrovitz mit ebenso großer Hartnäckigkeit behaupteten, er habe zunächst einmal Pflichten gegen sich selbst, er habe das Recht, die Behandlung zu verweigern, sobald sein beruflicher und gesellschaftlicher Ruf auf dem Spiel stehe. DiFrancesca verhielt sich fast immer still, äußerte sich nur, wenn es so aussah, als drohe der Disput persönlich zu werden. Dann rutschte er unruhig auf seinem Stuhl herum und sagte. «Na, hört mal, Jungens …»
Als sie sich schließlich erhoben, um in die Praxis zurückzukehren, zeigten sich die beiden älteren Kollegen Cohen gegenüber merklich kühl, ja, legten sogar gegenüber DiFrancesca eine reservierte Höflichkeit an den Tag, weil dieser sie nicht unterstützt hatte.
Am Abend fand Mrs. Cohen ihren Mann außergewöhnlich schweigsam. Sie schrieb dies natürlich dem Kummer über den Tod seines Patienten zu und machte klugerweise keinen Versuch, ihn aufzuheitern. Als seine Stimmung sich am nächsten Morgen jedoch immer noch nicht gebessert hatte, sagte sie: «Warum fährst du heute Nachmittag nicht mit hinaus zu dieser Klausur, Dan? Es würde dir gut tun, mal ein, zwei Tage rauszukommen.»
«Ich kann nicht. Sie wollen schon am frühen Nachmittag fahren. Dazu müsste ich ein paar Patienten umbestellen.»
«Pack trotzdem einen Koffer in dein Auto. Wenn du dich dann doch zum Mitfahren entschließen solltest, fährst du einfach los. Madeleine kann mich anrufen und sagen, dass du nicht nach Hause kommst.»
17
«Ich kam zufällig vorbei und sah Ihren Wagen in der Einfahrt stehen, David.» Es war Hugh Lanigan.
«Kommen Sie herein», sagte Rabbi Small zu Barnard’s Crossings Polizeichef, einem untersetzten Mann mit breitem, rotem Gesicht. Die beiden hatten sich schon im ersten Jahr nach dem Amtsantritt des Rabbi befreundet – Grund genug für einen informellen Besuch. Aus langer Erfahrung jedoch wusste der Rabbi, dass es für diese Besuche eigentlich immer einen offiziellen Grund gab, und auch jetzt fragte er sich, was den Polizeichef zum Kommen veranlasst haben mochte.
«Wir wollten eben Kaffee trinken», erklärte Miriam. «Sie leisten uns dabei doch Gesellschaft, nicht wahr? Ich mache gerade eine kleine Atempause bei meinen Vorbereitungen für den Sabbat.»
«Aber gern», antwortete Lanigan. Er legte seine Uniformmütze neben dem Sessel auf den Boden und fuhr sich mit den dicken, kurzen Fingern durch das Gestrüpp seiner kurz geschorenen weißen Haare.
«Hier, versuchen Sie diese mal», drängte der Rabbi. «Wir nennen sie kichelech. Man isst sie zum Kaffee.»
«Mmmm, sehr gut! Wie nennen Sie die? Kichelech? Sie haben Recht, sie passen ganz ausgezeichnet zum Kaffee. Würden Sie Amy das Rezept geben?»
«Mit Vergnügen», antwortete Miriam.
Der Polizeichef trank seinen Kaffee und stieß einen zufriedenen Seufzer aus. «Dies ist der erste ruhige
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