Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis
»Norseman« bekannt, waren extra für den Flugtransport in der Arktis gebaut worden und konnten sowohl mit Rädern als auch mit Schnee- und Wasserskiern auf dem Boden beziehungsweise auf Eis oder Wasser aufsetzen.
Die Vorstellung, Coppermine noch am gleichen Tag zum ersten Mal zu erblicken, erwies sich als illusorisch. Bei diesem Zwischenstopp erfuhr Ernie über Funk, dass noch Eisschollen den Coppermine-Fluss blockierten. Für die dort notwendige Wasserlandung war es zu gefährlich.
»Willst du mit mir zurück nach Yellowknife fliegen? Wir versuchen es in sechs Tagen wieder mit Coppermine.« Jacks Herz sank.
»Und die Alternative?« Er versuchte, seine Enttäuschung zu verbergen. Irgendwohin zurückzufliegen nach allen bisher bestandenen Abenteuern, würde sich wie eine frühzeitige Kapitulation anfühlen.
»Du schaufelst dich hier in der Hütte mit Greg ein und ich hole dich wieder ab, sobald die Wetterlage sich beruhigt hat und das Eis abgedriftet ist«, antwortete Ernie.
»Bin ich denn keine Last für ihn?«, fragte Jack.
»Ganz im Gegenteil«, lachte Ernie, »er sieht zwar rau aus, freut sich aber über Gesellschaft. Und hat eine Menge zu erzählen. Vergiss alles, was du über das Leben am Polarkreis bisher gehört hast. Greg erzählt dir, wie es wirklich ist.«
Jack musste blitzschnell lernen, mit der ersten Unannehmlichkeit seines neuen Lebens klarzukommen. Planen konnte man hier nichts. Termine, Uhrzeiten, Abmachungen: Jede strenge Zeitregie der zivilisierten Welt war den übermächtigen Naturgewalten ausgesetzt, die hier konkurrenzlos herrschten und ihre eigenen Tagesordnungen und Spielregeln hatten.
Bärenfleisch im Licht der Mitternachtssonne
Greg Magnum war gleichzeitig Wärter, Fallensteller und Jäger. Er lebte mutterseelenallein mit seinen Hunden und seinen Fallen in einer gigantischen Eislandschaft, ein Überbleibsel aus den betriebsamen Zeiten, als noch Goldgräberstimmung herrschte und hier auf das große Geld gehofft wurde. Er hatte irgendwie vergessen, wieder wegzuziehen. Falls er in seinem früheren Leben Manieren gelernt hatte, waren diese schon längst in Vergessenheit geraten. Sein ungepflegter Bart hatte seit Jahren keinen Rasierer mehr gesehen, wohl aber jede Menge Fleisch- und Fischmahlzeiten, deren Überreste die zerzausten Haare zierten.
Hinter der wilden Fassade verbargen sich ein warmes Herz und gebildeter Verstand, und von diesem ersten Begleiter, der alle klassischen Züge eines eingefleischten Eremiten vorwies, bekam Jack seinen ersten richtigen Geschmack vom Leben in der Arktis. Wildnis pur. Bis hin zu dem Schwarzbär, den Greg geschossen hatte und gerade zerstückelte. Das erste Gulasch aßen sie gleich am Abend, dann kalt zum Frühstück und wieder warm zum Mittagessen. Jeden Tag Schwarzbär, hin und wieder etwas Forelle aus dem See als Abwechslung. Nichts dient der raschen Annäherung zweier Menschen mehr als die klebrige und blutige Vorarbeit für ein geteiltes Schwarzbärenmahl.
Greg erzählte über das Leben im Eskimoland, über Sitten und Folklore. Er hatte zu jeder Zeit irgendwas im Mund. Sein kräftiger Kiefer machte seltsame Kreisbewegungen, während er erzählte, kaute und zwischendrin gelegentlich schmatzte. Jack bekam eine Ahnung von der bunten Kultur, die hinter der schweigsamen und feindlichen Fassade der Eismassen ein Stück merkwürdige Weltgeschichte schrieb.
»Über die verschiedenen Herkunftstheorien weißt du offensichtlich schon Bescheid«, sagte Greg, der gerade ein scharfes Messer am Griff im Mund hielt und Jack zeigte, wie man eine Forelle aufschlitzt. Jack versuchte, seine innere Abscheu gegen die schleimige Masse von Fischinnereien in den Griff zu bekommen, die bald auf dem Mittagstisch landen würde, und sich auf Gregs Ausführungen zu konzentrieren. Das raue Holz der rustikalen Hütte, die Geweihstangen, die an den Wänden hingen, die Bären- und Karibufelle, die Boden und Bänke bedeckten: Die Kulisse hätte nicht passender sein können für diese seltsame Gestalt, die sich im Abseits ein Zuhause geschaffen hatte. Wie gerne hätte Jack gewusst, was Greg bewegt hatte, sich von der zivilisierten Welt zu verabschieden.
»Die Vorfahren der heutigen Eskimos wanderten wahrscheinlich über die Beringstraße aus Asien bis hierher, wohl auf der Suche nach neuen Jagdrevieren. Sie ließen sich in der baumlosen Tundra an der Arktisküste nieder, weil sie sich mit der Walross- und Robbenjagd wie auch mit dem Fischfang auskannten. Ihre Existenz hing von
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