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Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis

Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis

Titel: Am Rande der gefrorenen Welt - Die Geschichte von John Sperry Bischof der Arktis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Vollkommer
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Aufruhr am hinteren Eingang der kleinen Maschine holte ihn ruckartig aus seinen Grübeleien heraus. Ein junger Mann wurde gerade an Bord getragen oder vielmehr geschleppt und ohne Umstände direkt neben Jack abgeladen.
    »Guten Tag, ich bin Reverend John Sperry aus Großbritannien, der neue …«
    »Gooooten Tag, ich meine, gooooote Nacht, verdammt noch mal, ich bin soooo müde …«
    Der junge Mitreisende rülpste laut, gähnte, lehnte seinen Kopf an Jacks sauberen, neuen Parka und schlief prompt ein. Offensichtlich hatte er ein paar Nächte durchgefeiert, bevor er sich auf den Weg zu einem Bergwerkslager irgendwo im Norden aufmachte.
    Mit einem erschütternden Krachen und Knattern startete der Motor. Sie waren unterwegs. Jack warf einen ersten faszinierten Blick aus der Luft auf die ungeheure Weite des arktischen Nordens. Er war überwältigt. Weg waren die nostalgischen Gedanken an seine Eltern, seinen Bruder und seine Verlobte in der geliebten Heimat. Eine gespannte Vorfreude auf sein neues Leben stieg wieder in ihm auf. Allerdings nicht für lang. Sein Weggefährte war wieder aufgewacht und suchte nach einer Zigarette. Es war lange vor der Zeit der Rauchverbotsschilder.
    »Entschuldigung, könnten Sie vielleicht …?«
    Jack blickte besorgt auf die angezündete Zigarette, die nun auf dem Boden lag. Die Feinmotorik seines Begleiters ließ unter dem Alkoholeinfluss zu wünschen übrig und die Zigarette war heruntergefallen.
    »Passen Sie bloß auf«, flüsterte Jack ihm zu und legte ihm die Zigarette mit einer freundschaftlichen Geste wieder zwischen die Finger. Was er allerdings sofort bereute, denn kurz darauf wurde er voller Panik Zeuge, wie die angezündete Zigarette wieder über den Boden rollte und in einem kleinen Loch verschwand, unter dem sich die prall gefüllten Benzintanks befanden.
    »Mr Boffa! Mr Boffa! Feuer im Tank!!«, schrie Jack so laut er konnte nach vorne zum Piloten. Ernie schrie noch lauter nach hinten zu dem Passagier, der im Heck saß, und dieser schob Jack einen Feuerlöscher über die Kisten und Postsäcke zu. Inzwischen flog Ernie Achterbahn mit der Maschine um zu prüfen, ob sie eine Rauchspur hinter sich ließen. Jack schnappte den Feuerlöscher, richtete ihn auf das Loch im Boden und drückte so fest er konnte auf den Griff.
    Die Zigarette wurde gerade noch rechtzeitig lahmgelegt.
    »Mann, das tut mir aber so leid!« Der alkoholisierte Reisegefährte brach in ein lautes Schluchzen aus, legte sich wieder auf Jacks Schulter und übergab sich prompt auf den neuen Parka. Die Achterbahnfahrt war eine Nummer zu viel gewesen. Jack begutachtete den Schaden, stöhnte und der Gedanke schoss ihm durch den Kopf, dass er wahrscheinlich fünf Jahre lang keine Waschküche mehr von innen sehen würde.
    »Ist auch egal«, dachte er, »bin sowieso zu müde, um mir darüber Sorgen zu machen.«
    Das Flugzeug landete bei einem Bergwerks-Feldlager mitten im Nirgendwo und lud den inzwischen bußfertigen und nüchternen Alkoholiker ab. Mit etwas weniger Gewicht hob es wieder ab und setzte seinen Weg Richtung Norden fort.
    Von seinem alles andere als unkomplizierten Reisebegleiter nun befreit, rückte Jack seinen notdürftigen Sitzplatz näher ans Fenster. An Tausende und Abertausende von Varianten der Farbe Weiß würde er sich schnell gewöhnen müssen. Und dabei war der arktische Sommer schon angebrochen, die Tage so lang, dass die Sonne sich gerade zwei Stunden Ruhe gönnte. Wie würde es erst im Winter sein? Er fühlte sich wie ein hilfloser Statist, gefangen mitten in einem gewaltigen Naturschauspiel, das unvorstellbare Kräfte vor seinen Augen entfaltete, als er es aus der Höhe bestaunte. Es war schwierig, aus dieser Entfernung Größen oder Maße zu bestimmen. Weiträumige dunkle Flächen mit klaren Umrissen waren wohl die Schatten von kaum sichtbaren Schneewehen und -hügeln. Grünliche Flächen deuteten gefrorene Tümpel und kleine Seen an. Der Himmel leuchtete türkis und wurde immer dunkler, bis die Sonne sich langsam senkte und der Flieger an Höhe verlor. Der Pilot hatte eine zweite Zwischenlandung angekündigt. Ein weißer, milchiger Nebel, der die Schneewüste inzwischen umhüllte, verwandelte sich in Gold, als der Flieger auf einem kleinen See aufsetzte. Fontänen von Wasser auf allen Seiten, ein Poltern, Rütteln und Stoßen, ein letztes Aufbrausen der Motoren, und er kam an einem Ufer zum Stillstand, an dem eine kleine Hütte sichtbar war.
    Diese kleinen wendigen Flieger, als

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